Der schwarze Mustang. Erzählungen, Aufsätze und offene Briefe
angekommen, sehen sie das Boot schon ziemlich gefüllt. Sie steigen ein; Potsherd nimmt sein Gepäck zu sich, der Diener kehrt nach dem Städtchen zurück und das kleine Fahrzeug stößt ab, dem großen Dampfer entgegen, der ob seines Tiefganges der Küste sich nicht mehr nähern kann. Die See geht hoch; sie wirft wahre Berge; die Ruderer haben harte Arbeit (erstes Bild); Mr. Potsherd wird sehr bleich, und Mr. Lucky macht die Augen zu, obgleich er schon zweimal in See gewesen ist. Vielleicht ist die Seekrankheit doch kein so großer Spaß für ihn, wie er sich vorhin den Anschein gegeben hat. Doch geht die Bootsfahrt glücklich vorüber; der Dampfer nimmt die Passagiere an Bord; die beiden nehmen Fahrkarten erster Kajüte und lassen sich ihre Räume anweisen, mit denen sie sehr zufrieden sind. Nachdem sie sich die prächtigen Salons besehen haben, kehren sie an Deck zurück, um den Anblick der wogenden See zu genießen.
Das sind keine Wellen, sondern Wogen, und was für welche! Das Schiff rollt bald im tiefen Hohl derselben, bald wird es hoch emporgehoben, so daß es das Kupfer am untern Rumpfe zeigt. Nach zehn Minuten meint Mr. Potsherd:
»Ich weiß nicht, ob die See läuft oder wir. Ich muß mich setzen.«
Die Herren setzten sich, und Mr. Lucky läßt sich ein Glas Cognac geben. Es wird ihm so schwach im Magen, und dem Glasfabrikanten ist’s, als ob er einen Bienenstock im Kopfe habe. Glücklicherweise ruft die Glocke zum Diner, bei dem man sich wieder erholen kann. Im
Dining-room
ist gedeckt und jeder sucht sich seinen Platz. Die Schiebefächer der Tafel sind so praktisch eingerichtet, daß man meint, selbst der höchste Seegang könne keinen Schaden anrichten. Die Suppe wird herumgereicht. Soeben will Mr. Lucky dieselbe mit einem zweiten Cognac einleiten, da legt sich das Schiff auf die Backbordseite, und der Speisesaal folgt derselben Neigung. Der Steward schüttet, anstatt sie ihm vorzusetzen, Mr. Potsherd die Suppe auf die Kniee; Mr. Lucky strengt sich an, nicht vom Stuhle zu fallen, und als er dann das Glas zum Munde führt, ist es leer, denn er hat sich den Cognac in die Suppe geschüttet, welche nun ungenießbar ist (zweites Bild). In ähnlicher Weise verlaufen die weiteren Gänge. Das Essen ist ausgezeichnet, aber die See spielt den Speisenden einen Streich nach dem andern, so daß man zu keinem wirklichen Genusse kommt. Als noch zu guter Letzt das Konfekt glücklich auf den Teppich gekollert ist, begeben unsre beiden Passagiere sich nach dem Rauchsalon, um eine Cigarre zu genießen, wogegen der Atlantische Ocean wohl nichts haben wird. Den duftenden Rauch behaglich von sich blasend, erklärt Mr. Potsherd, daß er hoffe, in Charleston mit seinen Glasproben famose Geschäfte zu machen, und Mr. Lucky erzählt, daß ihm vom Banquier Kneel dort eine Buchhalterstelle angeboten worden sei, doch wünsche dieser Herr, ihn vorher zu sehen, um zu erproben, ob auf persönliche Sympathie zu hoffen sei, denn ein Untergebener müsse seinem Vorgesetzten vor allen Dingen sympathisch sein. Kaum sind diese kurzen Mitteilungen gemacht, so beginnt das Schiff zu schlingern, welche Bewegung sich den Rauchenden direkt mitteilt, weil der Rauchsalon weit vorn im Vorderteile liegt. Mr. Potsherd erklärt, daß er sich in seine Koje zurückziehen müsse, da er zu viel gegessen habe, was aber gar nicht wahr ist, und entfernt sich wankend. Mr. Lucky will tapferer sein; er läßt zwar seine Cigarre fallen, nimmt sich aber vor, auf seinem Posten, am Rauchtischchen, auszuhalten. Bald aber ergreift ihn ein ganz unbeschreibliches Gefühl. Es ist ihm, als ob er ein riesiger Luftballon sei, der mit rapider Schnelligkeit dem Monde zufliege, und als ein Wogenberg den Bug des Dampfers so hebt, daß sich Mr. Lucky kaum auf seinem Platze erhalten kann (drittes Bild), beschließt er, dem Beispiele seines Reisegefährten zu folgen. Er greift sich vorsichtig mit den Händen an den Wänden fort und gelangt glücklich an seine Koje. Gerade, als er eintritt, bäumt sich der Dampfer abermals, und der Fußboden bekommt dadurch eine so starke Neigung, daß Mr. Lucky sich an der Portiere festhalten muß (viertes Bild), um nicht umzufallen.
Was nun in den beiden nebeneinanderliegenden Kojen geschieht? Mr. Potsherd hört Mr. Lucky wimmern, und Mr. Lucky hört Mr. Potsherd jammern; es gibt allerlei unterirdische Geräusche, bis nach längerer Zeit die Stille des blassesten Todes eintritt.
Am Abende scheint die See sich beruhigt zu haben. Die Sterne
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