Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der schwarze Mustang. Erzählungen, Aufsätze und offene Briefe

Der schwarze Mustang. Erzählungen, Aufsätze und offene Briefe

Titel: Der schwarze Mustang. Erzählungen, Aufsätze und offene Briefe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
Vom Netzwerk:
flimmern, und Mr. Lucky und Mr. Potsherd schweben gespenstergleich aus den Kojen hervor, nicht etwa, um sich am Souper zu beteiligen, zu welchem soeben geläutet wird, o nein, sondern nur um die Sterne heimlich zu fragen, ob einer von ihnen ein Mittel gegen den
Mal de mer
anzugeben vermöge. Bei dieser Gelegenheit teilt Mr. Potsherd vertraulich mit, daß seine Glasfabrik zwar ausgezeichnet rentiere, er aber doch, um sie zu erweitern, nach einem reichen Compagnon annonciert habe.
    Der Dampfer nähert sich der Küste, nimmt neue Passagiere auf, welche ein Boot herbeibringt (sechstes Bild), und sucht dann wieder die hohe See auf. Einer dieser Reisenden trägt einen Havelock mit Mönchskapuze und bekommt die Koje angewiesen, welche neben derjenigen von Mr. Lucky liegt. Dieser letztere sagt Mr. Potsherd, daß dessen Name eigentlich nicht für einen Glasfabrikanten passe, und der Fabrikbesitzer erwidert, daß der Name Lucky von guter Vorbedeutung für die Reise des jungen Mannes sei. Sie bleiben miteinander an Deck, bis die Sterne plötzlich verschwinden und der Kapt’n meldet, daß wahrscheinlich eine leichte Bö im Anzuge sei; da ziehen sie sich schleunigst in ihre Kojen zurück.
    Diese waren so eingerichtet, daß je zwei von einer Lampe erleuchtet wurden, welche oben in einem Ausschnitte der dünnen Zwischenwand hing. Die Zwischenwand konnte als Thür geöffnet werden, falls ein Passagier zwei Kojen für sich in Anspruch nahm. Mr. Luckys Lampe hing zwischen ihm und dem Kapuzenmanne. Sein Raum war wohl eigentlich ein Ladiesroom, da sich ein Pianino in demselben befand. Er legte sich auf das Polster und breitete die dazu vorhandene Decke und den Ueberrock über sich aus. Und das war gut, denn die See ging plötzlich wieder so hoch, daß das Stehen fast zur Unmöglichkeit wurde.
    Der Wind war steif und blies, ohne abzusetzen, so daß er also keine Töne gab. Es war so still in der Kajüte, daß man sprechen hören konnte. Um so lebhafter und unregelmäßiger war der Gang des Schiffes. Bald lag es auf dieser, bald auf jener Seite; bald stieg es bergan, bald fiel es bergab. Vom Schlafen war keine Rede. Man mußte wach bleiben und sich fest anhalten, um nicht vom Lager zu fallen. Das Ohnmachtsgefühl stellte sich bei Mr. Lucky wieder ein. Er seufzte und stöhnte. Es war ihm weit schlimmer als einem Fuchse beim Prellen zu Mute. Da – so arg war es noch gar nicht gewesen, der Dampfer bäumte sich, daß Mr. Lucky den Halt verlor; dann fiel das Schiff so plötzlich auf die Seite, daß der junge Mann, schon nach links fallend, auch nach vorn geschleudert wurde; die Folge war, daß er einen regelrechten Purzelbaum schlug und schleunigst Parterre zu sitzen kam (siebentes Bild). Zu gleicher Zeit ging drüben bei Mr. Potsherd ein Krachen, Prasseln, Klirren und Klingen los, als ob der ganze Himmel aus Glas bestehe und zusammengebrochen sei. Es folgte ein unbeschreibliches Zetermordio des Fabrikbesitzers, und von der Seite des andern Nachbars her, aus der Nähe der Decke herab, ertönte die ängstliche Frage: »Was ist los, Sir? Was zerbrechen Sie? Welches Unheil richten Sie an? Ich werde – –«
    Der Sprecher kam nicht weiter, oder vielmehr er kam weiter, viel weiter, als er beabsichtigt hatte, nämlich – – in die Koje hereingeflogen. Er war drüben auf das Lager gestiegen, um durch die Lampenöffnung herüberzusprechen. Die dünne Scheidewand war, wie schon gesagt, eine Thür, deren Verschluß der Last des Mannes nicht zu widerstehen vermochte; sie ging auf und er stürzte herein, gerade vor Mr. Lucky hin, welcher sich aus seiner sitzenden Stellung in eine knieende aufgerichtet hatte. Der junge Mann blickte dem unfreiwilligen Eindringling ganz verdutzt entgegen, und dieser, auf den Knieen und Händen liegend, schaute ebenso verblüfft aus seiner Kapuze hervor (achtes Bild), bis Mr. Lucky endlich fragte: »Aber, Sir, was wollen Sie? Wer sind Sie?«
    »Wer ich bin?« antwortete der andre, noch immer auf seinen vier Extremitäten. »Ich heiße Kneel, Bankier Kneel.«
    »Alle Wetter!« rief Lucky. »Bankier Kneel! Etwa aus Charleston?«
    »Allerdings.«
    »Welcher Zufall! Ich wollte dorthin, um mich Ihnen vorzustellen, wissen Sie, wegen der notwendigen Sympathie.«
    Der Bankier sprang auf, zog den Sprecher auch empor und sagte lachend: »So sind Sie also Mr. Lucky? Unsere Begegnung ist so interessant, daß Sie mir sofort sympathisch sind. Sie sollen also die Stelle haben. Nun aber kommen Sie vor allen Dingen weiter. Wir müssen

Weitere Kostenlose Bücher