Der schwarze Mustang. Erzählungen, Aufsätze und offene Briefe
schon nach kurzer Zeit. Als ich das Wild in solchen Scharen fallen sah, geriet ich in einen Zustand, als ob ich eine mehr als tüchtige Portion Grog getrunken hätte. Es trieb mich förmlich zu einer feisten Robbe hin, welche eben das Wasser gewinnen wollte. Ich holte aus – ein Hieb auf die Nase, sie war tot; der Geist der Eisgründe hielt mich fest, und ich gehorchte ihm, bis der Ertrag dieser ersten Jagd ein solcher war, daß Einhalt geboten werden mußte. Da wich die Aufregung von mir und ich bekam Ohr für die vielen, vielen armen Jungen, welche sich angstvoll und mühsam auf dem Eise umherschleppten oder bei ihren erschlagenen Müttern lagen und dabei genau wie kleine Kinder wimmerten. Ich schlich mich in mein Boot und setzte mich da einsam nieder, um nicht sehen zu lassen, daß es Salzwasser außer in der See auch im menschlichen Auge gibt. Mein Trost war, daß wir nicht nur sämtliche Jungen verschont, sondern auch sehr viele Alte absichtlich entkommen lassen hatten.
Die Matrosen schnitten nun die getöteten Robben auf, um ihnen die Häute und den Speck zu nehmen. Die ersteren wurden an Ort und Stelle in Bündel gewickelt und, wie in unserm Bilde veranschaulicht, an mitgebrachten Stricken nach den Booten geschleift. Wir hatten ihrer so viele, daß wir zweimal mit den beladenen Booten nach dem Schiffe mußten; dreimal aber fuhren wir mit dem Speck, welcher im Laufe des Tages geschnitten und ausgeschmort wurde. Die zurückbleibenden Grieben gaben ein sehr gutes Heizmaterial.
Am nächsten Tage erlegten wir eine noch größere Menge Mützen-oder Haubenrobben, deren Pelz sehr gut bezahlt wird; wir geben von dieser Seehundsart eine wohlgelungene Abbildung. Ich muß so ehrlich sein, zu gestehen, daß ich auch da und späterhin immer mitschlug; es war eben schwer oder gar unmöglich, der Aufregung zu widerstehen. Nach fünf oder sechs Tagen nahmen wir einen andern und später abermals einen entlegeneren Ankerplatz. Zuletzt lagen wir vor der Insel Unalaschka und hatten eben volle Ladung gemacht, als die von uns verlassene Flotte dort ankam. Dieselbe war weiter oben in den Kenai-Sund eingedrungen, hatte da aber so schlechten Fang gemacht, daß wir außerordentlich beneidet wurden. Da diese Leute so rücksichtslos die Jungen töteten, gönnte ich ihnen ihren Mißerfolg von ganzem Herzen.
Die Mützen-oder Haubenrobbe.
Wir hatten, vom Thrane gar nicht zu sprechen, über 9000 Felle erbeutet, unter denen sich auch Häute von Seebären befanden, und konnten sehr zufrieden sein, obgleich andre Schiffe noch glücklicher gewesen sind. So erlegten im Jahre 1881 27 Dampfer an der Nordküste von Neufundland zusammen 334513 Robben, was pro Schiff durchschnittlich über 12000 Stück ergibt, und der deutsche Dampfer »Franklin« brachte 1871 sogar 14000 Felle mit nach Hause.
Die Eskimos waren uns sehr nützlich gewesen; wir ließen sie nach ihren Verhältnissen reich belohnt zurück. Noch am Tage vor unsrer Abfahrt von Unalaschka erlebte ich mit Harper ein Abenteuer, welches mir unvergeßlich bleiben wird.
Vor Unalaschka liegt, nur durch einen schmalen Sund von ihr getrennt, die kleine Insel Spirkin, auf welcher ich durch das Rohr zwei Eisfüchse sah. Es verlangte mich, sie zu erlegen, und der Kapitän erteilte mir die Erlaubnis, mit Harper hinüberzugehen. Zu gehen über den Sund? Jawohl! Er war zwar nicht vollständig zugefroren, aber die losen Eisschollen, welche ihn bedeckten, lagen so nahe aneinander, daß man zwar mit dem Bote nicht hindurch, desto besser aber zu Fuße hinüber konnte. Wir nahmen Springstangen mit, ich auch mein Gewehr. Harper ließ das seinige zurück, um mir nicht Konkurrenz zu machen. Ich war begierig auf die Füchse und beeilte mich daher, die kleine Insel zu erreichen. Eben setzte ich den Fuß auf das Ufer, so hörte ich hinter mir Harper rufen. Ich drehte mich um. Er war langsam gegangen und befand sich noch auf der Mitte des Sundes. Dort lagen die Schollen nicht mehr ruhig wie vorher; das Wasser unter ihnen war plötzlich in Bewegung gesetzt worden und trieb die Schollen hier aus-und dort aufeinander. Mein alter Bootsführer hatte Mühe, sich auf der seinigen zu erhalten.
»Master Fred, ein Schwertfisch, ein Schwertfisch!« rief er mir zu. Ich sah dieses Tier nicht und kehrte zurück. Er aber rief mir zu, fern zu bleiben, da der Fisch unter dem Eise jedenfalls eine Robbe jage und es gefährlich sei, sich oberhalb desselben zu befinden. Ich ging dennoch mehrere Schritte weiter, bis auch
Weitere Kostenlose Bücher