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Der schwarze Mustang. Erzählungen, Aufsätze und offene Briefe

Der schwarze Mustang. Erzählungen, Aufsätze und offene Briefe

Titel: Der schwarze Mustang. Erzählungen, Aufsätze und offene Briefe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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Heliogabalus Morpheus Edeward Franke, genannt der Hobble-Frank, sich noch immer an der äußerschten Schpitze der energisch-successiven Halunkenvertilgung befindet! Diesem Anführer der Komantschen soll sein letztes Brot gebacken sein. Wenn ich eenmal grimmig bin, da bin ich richtig grimmig. Bei mir gilt die alte, bewährte Kalenderregel
veni, vidi, mardi midi,
oder für diejenigen, die nich Griechisch verschtehen: ›Ich kam und sah und siegte Dienstags um die Mittagszeit!‹ Jetzt gehe ich, um noch eenen brauchbaren Helden unsers imporösen neunzehnten Jahrhunderts zu holen, der dabei nich fehlen darf.«
    Er stand auf und verschwand durch den Ausgang. Als er nach kurzer Zeit zurückkam, brachte er Droll mit. Man sah es diesem an, daß er in der letzten Zeit gelitten hatte, doch waren seine Augen munter und seine Bewegungen ließen nicht darauf schließen, daß er gegenwärtig Schmerzen leide. Er freute sich außerordentlich über das ebenso unerwartete wie wunderbare Zusammenfinden und erklärte, unbedingt mit nach dem Alder-Spring reiten zu wollen, sein Zustand möge es gestatten oder nicht.
    Dies gab Winnetou, welcher bis jetzt kein Wort gesprochen hatte, Gelegenheit, eine Reihe von Fragen an ihn zu richten, welche bewiesen, daß der Apatsche bedeutende Kenntnisse über den Bau und die Krankheiten des menschlichen Körpers besaß. Es stellte sich heraus, daß es sich bei Droll wirklich um Ischias handelte, und zwar infolge des Falles vom Pferde. Winnetou stand auf, zog seine kleine Ledertasche heraus, in welcher er allerlei Verbandzeug mit sich zu führen pflegte, sah den Inhalt durch und sagte dann in seiner ruhigen Weise:
    »Mein Bruder Droll mag mich zu seinem Lager führen; sein Leiden wird ihn schon nach einer Stunde nicht mehr belästigen.«
    Er nahm ihn bei der Hand und ging mit ihm fort. Schon nach kurzer Zeit hörten die Anwesenden einen schrillen, durchdringenden Schrei.
    »Das war Droll!« rief der Hobble-Frank aus. »Was hat Winnetou mit ihm vor? Wahrscheinlich will er ihm die Insel aus den Beenen schaffen; aber das sollte er doch in eener weniger schmerzhaft-graziösen Weise thun! Ich muß hin zu meiner Tante Droll, denn so een Schrei, der schneidet mir grad wie een Sägwerk durch die Seele.«
    Er sprang auf und wollte fort; Old Shatterhand aber hielt ihn fest und sagte:
    »Bleib hier, lieber Frank! Winnetou weiß ganz wohl, was er thut, und grad für derartige Leiden gibt es bei den Indianern Mittel, von denen selbst unsre besten Aerzte keine Ahnung haben!«
    Gleich darauf trat, wie um diese Worte zu bestätigen, Winnetou wieder ein und sagte:
    »Unser Bruder Droll mußte einen sehr starken aber auch sehr kurzen Schmerz erleiden, um schnell geheilt zu werden. Jetzt ruht er von ihm aus, aber schon nach einer Stunde wird er so gesund sein, wie er gewesen ist, ehe er die berühmte Insel unsers Hobble-Frank in die Beine bekam.«
    Diese Worte enthielten eine kleine, unschuldige Ironie gegen Frank, welcher dies sehr wohl herausfühlte und, obgleich den ernsten Zügen des Apatschen gar nichts anzumerken war, doch schnell antwortete:
    »Wenn Winnetou etwa die Intervention besitzt, mich foppen zu wollen, so mag er doch die gehorsamste Güte haben, nach dem Wendekreise des Krebses zu gehen; er wird finden, daß die Insel zwischen dort und Hohenzollern-Sigmaringen liegt. Was ich eenmal gesagt habe, das habe ich gesagt, und ich hoffe, daß meine Prioritäten off jedem Entoutcas zu finden sind. Zweifeln kann jeder, der es nich verschteht; aber wenn schon, denn schon; ich pflege mich nich gern zu schtreiten und hülle mich, wenn ich von adjustierten Seelen angegriffen werde, in die Schtrahlenaureole meines populär-wissenschaftlichen Schweigens. ›
Vere Angelica-Tinctur, quoniam ud angelus loquitur
‹; dieses Wort paßt off keenen Menschen so gut als wie off mich! Howgh!«
    Da er vergeblich auf eine Entgegnung wartete, sah er sich in der Lage, sich schweigend in seine Angelikatinktur zu versenken. Nach Verlauf der angegebenen Stunde stellte es sich heraus, daß Winnetou recht gehabt hatte. Droll kam und erklärte in seiner Altenburger Mundart:
    »Is das nich großartig, meine Herre? Ich fühle mich, als ob ich neugebore wäre. Was Winnetou gemacht hat, das weeß ich nich; aber ob er die Nerve nur ausgedehnt oder ganz zerrisse hat, das is egal; ich bin gesund wie een Fisch im Wasser. Nu kann ich wieder reite, und der ›schwarze Mustang‹ soll erfahren, daß die Tante Droll noch derb an ihrem Platze

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