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Der schwarze Mustang. Erzählungen, Aufsätze und offene Briefe

Der schwarze Mustang. Erzählungen, Aufsätze und offene Briefe

Titel: Der schwarze Mustang. Erzählungen, Aufsätze und offene Briefe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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vorher diejenigen zu fragen, welche den Westen besser kennen und deren Ansichten also wohl von größerer Wichtigkeit sein dürften.«
    »
Well!
Aber Ihr habt doch gesagt, daß Ihr auch meint, die Gefangenen müßten sterben! Nicht?«
    »Ja. Doch wenn Ihr mich hättet ausreden lassen, wäre Euch mein Grund nicht entgangen, warum sie sterben müssen. Ich wollte nämlich sagen: Wir sind natürlich auch vollständig überzeugt, daß sie sterben müssen, weil wir Menschen nun einmal alle sterblich sind.«
    »Ah, bloß deshalb?«
    »Ja.«
    »Also sie sollen sterben, weil sie überhaupt sterblich sind, und nicht, weil sie uns an das Leben wollten?«
    »Ganz richtig!«
    »Hm! Wie meint Ihr das, Mister Shatterhand?«
    »Sie müssen sterben, früher oder später, weil sie eben sterbliche Menschen sind; wir aber haben kein Recht, ihren Tod herbeizuführen. Oder noch besser gesagt: Ihr habt dieses Recht nicht.«
    »Wieso?«
    »Haben sie Euch etwas gethan, was nach den Gesetzen der Prairie mit dem Tode bestraft wird?«
    »Das – hm – das allerdings nicht,« antwortete er gedehnt.
    »So habt Ihr also auch kein Recht, vom Aufhängen zu sprechen, Mister Swan. Wir, nämlich Winnetou und ich, könnten Tokvi-Kava töten, weil er uns die Pferde und die Gewehre gestohlen hat; wir haben ihm aber trotzdem versprochen, daß weder er noch einer von seinen Leuten getötet werden soll.«
    »Habt Ihr dieses Versprechen nicht etwas vorschnell gegeben, Sir?«
    »Ich frage dagegen: Habt Ihr jemals gehört, daß Winnetou und Old Shatterhand vorschnell, also voreilig gehandelt haben?«
    »Nein, ich bitte um Verzeihung!«
    »Also! Wir haben gar nicht nötig, eine lange Beratung zu halten, denn bei uns beiden steht es schon fest, was mit den Komantschen geschehen soll, und ich denke, daß Euch das, was wir für richtig halten, auch annehmbar erscheinen wird.«
    »So laßt hören, Mister Shatterhand!«
    »Also an das Leben würde es ihnen nicht gehen, selbst wenn wir Grund hätten, sie mit dem Tode zu bestrafen; wir sind doch Christen und also keine Massenmörder!«
    »
Well!
Einverstanden! Also weiter!«
    »Strafe haben sie natürlich verdient, weil sie das Camp überfallen wollten. Die beste und gerechteste Strafe ist stets diejenige, welche es dem Verbrecher unmöglich macht, seine That zu wiederholen. Wir müssen also den Komantschen die Gelegenheit oder die Macht nehmen, so bald wieder an einen Ueberfall zu denken. Dies geschieht dadurch, daß sie den beabsichtigten Einbruch in das Camp mit ihren Waffen und Pferden bezahlen müssen.«
    »
Egad!
Das ist nicht übel; das leuchtet mir ein! Wer aber soll diese Sachen bekommen?«
    »Ihr und Eure Arbeiter. Ich betrachte das als Straf-und Gerichtskosten, welche als Belohnung für euren Beistand unter euch verteilt werden.«
    »Sehr gut! Und die Leute von Firwood-Camp?«
    »Von denen bekommen nur diejenigen etwas, die sich uns schließlich noch angeschlossen haben.«
    »Das sind so wenige, daß wir das, was sie bekommen, gern abgeben können. Und weiter?«
    »Wir haben dem ›schwarzen Mustang‹ die Medizin genommen, weil er so dummfrech oder frechdumm war, uns zu beleidigen, obgleich er sich in unsrer Gewalt befand; das Ehrgefühl seiner Leute sollte geschont werden. Aber weil sie seinem Beispiel gefolgt sind und uns dann in eben derselben Weise verhöhnt haben, sollen sie auch dieselbe Strafe erleiden: wir nehmen ihnen die Medizinen.«
    »Ganz recht, Sir! Was diese Roten als Medizin bezeichnen, ist doch nur ein Firlefanz, über den man lachen muß.«
    »Da irrt Ihr Euch sehr. Es handelt sich hier nicht um Firlefanzereien, sondern um religiöse Ueberzeugungen, um die heiligsten und tiefsten Gefühle, welche in ihren Herzen wohnen. Ihr versteht das nicht. Wenn wir ihnen die Medizinen nehmen, rauben wir ihnen nicht bloß ihre kostbarsten irdischen Güter, sondern nach ihrer Ansicht auch beinahe die Möglichkeit, selig zu werden.«
    »
Pshaw!
Ewige Jagdgründe! Lächerlich!«
    »Das ist keineswegs lächerlich. Wir Christen sprechen vom Himmel, Muhamed redet von sieben Himmeln, die Brahmanen haben ihr Nirwana, die Lappländer ihre ewigen Renntierwiesen, die Eskimos ihre himmlischen Seehund-und Walfischseen und die Indianer ihre ewigen Jagdgründe. Wie das Stammeln des Kindes den Eltern heilig ist, so wird auch unserm Herrgott das Stammeln eines Menschen, der noch nicht gelernt hat, wie ein Christ zu sprechen und zu beten, wohlgefällig sein. Es ist eine fürchterliche Strafe, welche wir den Komantschen

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