Der schwarze Mustang. Erzählungen, Aufsätze und offene Briefe
anzuspritzen; sie werden bald erfahren, in welcher Weise dies geschehen wird. Schleift sie den Berg hinab und schafft sie in die Schlucht, wo wir sie noch sicherer haben als hier! Dort soll beraten werden, was mit ihnen zu geschehen hat.«
Als das der »schwarze Mustang« hörte, schrie er:
»Ihr habt nichts zu beraten! Old Shatterhand hat uns das Leben versprochen!«
»Das Leben!« antwortete Winnetou in seinem verächtlichsten Tone. »Wenn dem Häuptling der Apatschen geschehen wäre, was dir geschehen ist, so möchte er gar nicht mehr leben; er würde sich sein eigenes Messer in das Herz stoßen. Du aber wimmerst nach der Fortdauer deiner Schande, und sie sei dir gewährt!«
»Hund!« brüllte der Komantsche laut auf, »ich wimmere nicht. Ich will nur leben, um mich an euch rächen zu können, wie sich noch nie ein roter Krieger gerächt hat!«
»
Pshaw!
Thue es! Wie sehr wir deinen Zorn verachten und wie wenig wir deine Rache fürchten, zeigen wir euch dadurch, daß wir euch das Leben schenken.«
Er wendete sich mit einer so demütigenden Kopfbewegung, wie sie nur ihm eigen war, ab und ergriff die Hand Old Shatterhands, um mit ihm den Abhang hinabzusteigen. Beide waren zu stolz, einen Blick zurückzuwenden, um zu sehen, in welcher Weise Winnetous Befehl, die Gefangenen hinabzuschleifen, ausgeführt wurde.
Es läßt sich denken, daß dies nicht in der zartesten Weise geschah, obgleich man sich hütete, sie dabei zu verletzen, weil man wohl wußte, daß dies nicht in der Absicht des Apatschen lag. Unten wurde das Feuer auf einer Seite so eingedämmt, daß zwischen ihm und dem Felsen Raum blieb, die Gefangenen hindurchzuschaffen; diese wurden paarweise nebeneinander niedergelegt, und dann wollten sich die Bahnarbeiter über die Waffen derselben hermachen. Old Shatterhand aber wehrte ab, indem er ihnen befahl:
»Halt! Es bleibt jetzt noch alles liegen. Noch wißt ihr nicht, was über diese Sachen beschlossen wird!«
Sie gehorchten. Es waren wohl viele unter ihnen, die sich nicht gewöhnt hatten, ihren Gelüsten eines andern wegen Zügel anzulegen; aber Männern wie Winnetou und Old Shatterhand gegenüber getrauten sie sich doch nicht, widerspenstig zu sein.
Eigentlich waren es vier Personen, welche über das Schicksal der Komantschen zu entscheiden hatten, nämlich die beiden soeben Genannten und die beiden Engineers von Rocky-ground und Firwood-Camp; aber da der letztere seine Haut in Sicherheit gebracht und dafür gesorgt hatte, daß er nicht wieder zu sehen gewesen war, verstand es sich ganz von selbst, daß er ausgeschlossen wurde. Also setzten sich die drei zusammen nieder, um sich zu besprechen. Swan, der Engineer, hatte niemals einer solchen Beratung beigewohnt. Er legte sich die Frage gar nicht vor, wem die Ehre, das Wort zuerst zu ergreifen, zu überlassen war; sein gar schnelles Naturell ließ ihn nicht darauf warten, welcher von den beiden andern beginnen werde, sondern er fing, kaum daß er sich niedergesetzt hatte, in dem Tone seiner vollsten Ueberzeugung an: »Es ist doch ganz selbstverständlich ein Faktum, daß diese Burschen sterben müssen, und da schlage ich, weil Pulver und Blei doch Geld kosten und Riemen hier umsonst zu haben sind, vor, daß wir sie alle hübsch nebeneinander an die Bäume hängen. Ich bin überzeugt, Mesch’schurs, daß ihr ganz derselben Meinung seid.«
Ueber das ernste Gesicht des Apatschen glitt ein leises Lächeln, doch antwortete er nicht, weil er gewohnt war, bei solchen Gelegenheiten Old Shatterhand das Wort zu lassen. Dieser nickte, auch lächelnd, dem Engineer zu und sagte:
»
Well,
Sir! Es freut mich sehr, daß Ihr uns so richtig taxiert habt. Wir sind natürlich auch vollständig überzeugt, daß sie sterben müssen, weil wir Menschen nun –«
»Schön, schön!« unterbrach ihn der Beamte. »Erschießen, würde für solche Halunken ja auch viel zu ehrenvoll sein; also hängen, hängen, das ist es, was ich –«
Der Beamte hielt mitten in der Rede inne, weil er von einer so gebieterischen Handbewegung Old Shatterhands unterbrochen wurde, daß ihm das Wort im Munde stecken blieb. Doch seiner Würde als Beisitzer des Prairiegerichtes sich bewußt, fragte er gleich darauf:
»Was ist’s? Warum unterbrecht Ihr mich?«
»Um Euch überhaupt zu zeigen, wie es ist, wenn man unterbrochen wird.«
»Wieso?«
»Ihr seid mir vorhin in die Rede gefallen. Ein Savannengericht ist eine ernste Sache, Sir. Da platzt man nicht so schnell mit einer Meinung heraus, ohne
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