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Der schwarze Obelisk. Geschichte einer verspäteten Jugend

Der schwarze Obelisk. Geschichte einer verspäteten Jugend

Titel: Der schwarze Obelisk. Geschichte einer verspäteten Jugend Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erich Maria Remarque
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Dreck, und damals saßen wir im Fett. Die Schlußfolgerung werden ja wohl auch Sie ziehen können, wie?»
      «Ich bin nicht sicher. Was ist sie?»
      «Das ist doch verdammt einfach! Daß wir wieder einen Kaiser und eine anständige nationale Regierung haben müssen!»
      «Halt!» sage ich. «Sie haben etwas vergessen. Sie haben das wichtige Wort ,weil‘ vergessen. Das aber ist der Kern des Übels. Es ist der Grund dafür, daß heute Millionen wie Sie mit hocherhobenen Rüsseln wieder solchen Unsinn herumtrompeten. Das kleine Wort ,weil‘.»
      «Was?» fragt Heinrich verständnislos.
      «Weil!» wiederhole ich. «Das Wort: ,weil‘! Wir haben heute
    fünf Millionen Arbeitslose, eine Inflation, und wir sind besiegt worden, weil wir vorher Ihre geliebte nationale Regierung hatten! Weil diese Regierung in ihrem Größenwahn Krieg gemacht hat! Weil sie diesen Krieg verloren hat! Deshalb sitzen wir heute in der Scheiße! Weil wir Ihre geliebten Holzköpfe und Uniformpuppen als Regierung hatten! Und wir müssen sie nicht zurückhaben, damit es uns besser gehe, sondern wir müssen verhüten, daß sie wiederkommen, weil sie uns sonst noch einmal in Krieg und Scheiße jagen. Sie und Ihre Genossen sagen: Früher ging’s uns gut, heute geht’s uns schlecht – also wieder her mit der alten Regierung! In Wirklichkeit heißt es aber: Heute geht’s uns schlecht, weil wir früher die alte Regierung hatten – also zum Teufel mit ihr! Kapiert! Das Wörtchen: Weil! Das wird gern von Ihren Genossen vergessen! Weil!»
      «Blödsinn!» poltert Heinrich aufgebracht. «Sie Kommunist!»
      Georg bricht in ein wildes Gelächter aus. «Für Heinrich ist jeder ein Kommunist, der nicht stramm rechts ist.»
      Heinrich wölbt die Brust zu einer geharnischten Antwort. Das Bild seines Kaisers hat ihn stark gemacht. In diesem Augenblick tritt Kurt Bach ein. «Herr Kroll», fragt er, «soll der Engel rechts oder links vom Text: ,Hier ruht Spenglermeister Quartz‘ stehen?»
      «Was?»
      «Der Engel im Relief auf dem Grabstein Quartz.»
      «Rechts natürlich», sagt Georg. «Engel stehen immer rechts.»
      Heinrich wird aus einem nationalen Propheten wieder ein Grabsteinverkäufer. «Ich komme mit Ihnen», erklärt er mißmutig und legt das Goldstück zurück auf den Tisch. Kurt Bach sieht es und greif danach. «Das waren Zeiten», sagt er schwärmerisch.
      «Für Sie also auch», erwidert Georg. «Was für Zeiten waren es denn für Sie?»
      «Die Zeiten der freien Kunst! Brot kostete Pfennige, ein Schnaps einen Fünfer, das Leben war voller Ideale, und mit ein paar solcher Goldfüchse konnte man ins gelobte Land Italia reisen, ohne Furcht, daß sie bei der Ankunf nichts mehr wert seien.»
      Bach küßt den Adler, legt ihn zurück und wird wieder zehn Jahre älter. Heinrich und er entschwinden. Heinrich ruf zum Abschied, düstere Drohung auf seinem verfetteten Gesicht: «Köpfe werden noch rollen!»
      «Was war das?» frage ich Georg erstaunt. «Ist das nicht eine der vertrauten Phrasen Watzeks? Stehen wir etwa vor einer Verbrüderung der feindlichen Cousins?»
      Georg sieht nachdenklich hinter Heinrich her. «Vielleicht», sagt er. «Dann wird es gefährlich. Weißt du, was so hoffnungslos ist? Heinrich war 98 ein rabiater Kriegsgegner. Inzwischen hat er alles vergessen, was ihn dazu machte, und der Krieg ist für ihn wieder ein frischfröhliches Abenteuer geworden.» Er steckt das Zwanzigmarkstück in die Westentasche. «Alles wird zum Abenteuer, was man überlebt. Das ist so zum Kotzen! Und je schrecklicher es war, um so abenteuerlicher wird es in der Erinnerung. Wirklich über den Krieg könnten nur die Toten urteilen; sie allein haben ihn ganz erlebt.»
      Er sieht mich an. «Erlebt?» sage ich, «erstorben.»
      «Sie und die, die das nicht vergessen», erwidert er. «Aber das sind wenige. Unser verdammtes Gedächtnis ist ein Sieb. Es will überleben. Und überleben kann man nur durch Vergessen.»
      Er setzt seinen Hut auf. «Komm», sagt er. «Wir wollen sehen, was für Zeiten unser goldener Vogel in Eduard Knoblochs Gedächtnis hervorruf.»

    «Isabelle!» sage ich tief erstaunt.
      Ich sehe sie auf der Terrasse vor dem Pavillon für die Unheilbaren sitzen. Nichts ist mehr da von der zuckenden, gequälten Kreatur, die ich das letztemal gesehen habe. Ihre Augen sind klar, ihr Gesicht ist ruhig, und sie scheint mir schöner, als ich sie je vorher gekannt habe – aber das kann

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