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Der schwarze Obelisk. Geschichte einer verspäteten Jugend

Der schwarze Obelisk. Geschichte einer verspäteten Jugend

Titel: Der schwarze Obelisk. Geschichte einer verspäteten Jugend Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erich Maria Remarque
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heimatlichen Schreibtisch zu. Neidisch sehe ich ihm nach.
      Das Büro liegt in schwarzem Frieden. Ich knipse das Licht an und finde einen Zettel: «Riesenfeld abgereist. Du bist also heute abend dienstfrei. Benütze die Zeit zum Knöpfeputzen, Gehirnappell, Nägelschneiden und Gebet für Kaiser und Reich, gez. Kroll, Feldwebel und Mensch. PS.: Wer schläf, sündigt auch.»
      Ich gehe hinauf zu meiner Bude. Das Klavier bleckt mich mit weißen Zähnen an. Kalt starren die Bücher der Toten von den Wänden. Ich werfe eine Garbe von Septimen-Akkorden über die Straße. Lisas Fenster öffnet sich. Sie steht vor dem warmen Licht in einem Frisiermantel, der offen hängt, und hält ein Wagenrad von einem Blumenstrauß hoch. «Von Riesenfeld», krächzt sie. «Was für ein Idiot! Kannst du das Gemüse brauchen?»
      Ich schüttle den Kopf. Isabelle würde glauben, ihre Feinde beabsichtigen damit irgend etwas Niederträchtiges, und Gerda habe ich so lange nicht gesehen, daß auch sie es falsch auffassen würde. Sonst weiß ich niemand.
      «Tatsächlich nicht?» fragt Lisa.
      «Tatsächlich nicht.»
      «Unglücksrabe! Aber sei froh! Ich glaube, du wirst erwachsen!»
      «Wann ist man erwachsen?»
      Lisa überlegt einen Augenblick. «Wenn man mehr an sich denkt als an die anderen», krächzt sie dann und schmettert das Fenster zu.
      Ich werfe eine zweite Garbe von Septimenakkorden, diesmal von verminderten, aus dem Fenster. Sie haben keine sichtbaren Folgen. Ich schließe dem Klavier den Rachen und wandere die Treppen hinunter. Bei Wilke ist noch Licht. Ich klettere zu ihm hinauf.
      «Wie ist die Sache mit den Zwillingen ausgegangen?» frage ich.
      «Tiptop. Die Mutter hat gesiegt. Die Zwillinge sind in ihrem Doppelsarg beerdigt worden. Allerdings auf dem Stadtfriedhof, nicht auf dem katholischen. Komisch, daß die Mutter auf dem katholischen zuerst ein Grab gekauf hat – sie hätte doch wissen müssen, daß es da nicht ging, wenn einer der Zwillinge evangelisch war. Nun hat sie das erste Grab an der Hand.»
      «Das auf dem katholischen Friedhof?»
      «Klar. Es ist tadellos, trocken, sandig, etwas erhöht – sie kann froh sein, daß sie es hat!»
      «Warum? Für sich und ihren Mann? Sie wird doch wegen der Zwillinge jetzt auch auf den Stadtfriedhof wollen, wenn sie stirbt.»
      «Als Kapitalanlage», sagt Wilke, ungeduldig über meine Stumpfsinnigkeit. «Ein Grab ist heute eine erstklassige Kapitalanlage, das weiß doch jeder! Sie kann jetzt schon ein paar Millionen daran verdienen, wenn sie es verkaufen will. Sachwerte steigen ja wie verrückt!»
      «Richtig. Ich hatte das einen Moment lang vergessen. Weshalb sind Sie noch hier?»
      Wilke zeigt auf einen Sarg. «Für Werner, den Bankier. Gehirnblutung. Darf kosten, was es will, echtes Silber, feinstes Holz, echte Seide, Überstundentarif – wie wäre es mit etwas Hilfe? Kurt Bach ist nicht da. Sie können dafür morgen früh das Denkmal verkaufen. Keiner weiß es bis jetzt. Werner ist nach Geschäfsschluß umgefallen.»
      «Heute nicht. Ich bin todmüde. Gehen Sie doch kurz vor Mitternacht in die Rote Mühle und kommen Sie nach eins zurück, um weiterzuarbeiten – dann ist das Problem der Geisterstunde gelöst.»
      Wilke denkt nach. «Nicht schlecht», erklärt er. «Aber brauche ich da nicht einen Smoking?»
      «Nicht einmal im Traum.»
      Wilke schüttelt den Kopf. «Ausgeschlossen, trotzdem! Die eine Stunde würde mich mehr kosten, als ich in der ganzen Nacht verdienen würde. Aber ich könnte in eine kleine Kneipe gehen.» Er schaut mich dankbar an. «Notieren Sie die Adresse Werners», sagt er dann.
      Ich schreibe sie auf. Sonderbar, denke ich, das ist schon der zweite heute abend, der einen Rat von mir befolgt – nur für mich selbst weiß ich keinen. «Komisch, daß Sie soviel Angst vor Gespenstern haben», sage ich. «Dabei sind Sie doch gemäßigter Freidenker.»
      «Nur tagsüber. Nicht nachts. Wer ist nachts schon Freidenker?»
      Ich mache ein Zeichen zu Kurt Bachs Bude hinunter. Wilke winkt ab. «Es ist leicht, Freidenker zu sein, wenn man jung ist. Aber in meinem Alter, mit einem Leistenbruch und einer verkapselten Tuberkulose –»
      «Schwenken Sie um. Die Kirche liebt bußfertige Sünder.»
      Wilke hebt die Schultern. «Wo bliebe da mein Selbstrespekt?»
      Ich lache. «Nachts haben Sie keinen, was?»
      «Wer hat nachts schon welchen? Sie?»
      «Nein. Aber vielleicht ein

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