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Der schwarze Obelisk. Geschichte einer verspäteten Jugend

Der schwarze Obelisk. Geschichte einer verspäteten Jugend

Titel: Der schwarze Obelisk. Geschichte einer verspäteten Jugend Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erich Maria Remarque
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uns ist wer? Und was ist Ich? Das da oder das Fleischumkleidete davor? Oder ist es noch etwas anderes, etwas hinter beiden? Ich spüre einen Schauder und lösche das Licht.

    VII

    Riesenfeld hat Wort gehalten. Der Hof ist voll von Denkmälern und Sockeln. Die allseitig polierten sind in Latten eingeschlagen und in Sackleinen eingehüllt. Sie sind die Primadonnen unter den Leichensteinen und müssen äußerst vorsichtig behandelt werden, damit den Kanten nichts geschieht.
      Die ganze Belegschaf steht im Hof, um zu helfen und zuzusehen. Sogar die alte Frau Kroll wandert umher, prüf die Schwärze und Feinheit des Granits und wirf ab und zu einen wehmütigen Blick auf den Obelisken neben der Tür – das einzige, was von den Einkäufen ihres toten Gemahls übriggeblieben ist.
      Kurt Bach dirigiert einen mächtigen Block Sandstein in seine Werkstatt. Ein neuer sterbender Löwe wird daraus entstehen, aber dieses Mal nicht gebeugt, mit Zahnschmerzen, sondern mit letzter Kraf brüllend, einen abgebrochenen Speer in der Flanke. Er ist für das Kriegerdenkmal des Dorfes Wüstringen bestimmt, in dem ein besonders zackiger Kriegerverein unter dem Befehl des Majors a. D. Wolkenstein haust. Wolkenstein war der trauernde Löwe zu waschlappig. Er hätte am liebsten einen mit vier
    feuerspeienden Köpfen bestellt.
      Eine Sendung der Württembergischen Metallwarenfabrik, die gleichzeitig angekommen ist, wird ebenfalls ausgepackt. Vier auffliegende Adler werden in einer Reihe nebeneinander auf den Boden gestellt, zwei aus Bronze und zwei aus Gußeisen. Sie sind da, um andere Kriegerdenkmäler zu krönen und die Jugend des Landes für einen neuen Krieg zu begeistern – denn, wie Major a. D. Wolkenstein so überzeugend erklärt: Einmal müssen wir schließlich doch gewinnen, und dann wehe den anderen! Vorläufig sehen die Adler allerdings nur wie riesige Hühner aus, die Eier legen wollen – doch das wird sich schon ändern, wenn sie erst oben auf den Denkmälern thronen. Auch Generäle wirken ohne Uniform leicht wie Heringsbändiger, und sogar Wolkenstein sieht in Zivil nur aus wie ein fetter Sportlehrer. Aufmachung und Distanz sind alles in unserem geliebten Vaterland.
      Ich überwache, als Reklamechef, die Anordnung der Denkmäler. Sie sollen nicht beziehungslos nebeneinanderstehen, sondern freundliche Gruppen bilden und künstlerisch durch den Garten verteilt werden. Heinrich Kroll ist dagegen. Er hat lieber, wenn die Steine wie Soldaten ausgerichtet sind; alles andere erscheint ihm verweichlicht. Zum Glück wird er überstimmt. Auch seine Mutter ist gegen ihn. Sie ist eigentlich immer gegen ihn. Sie weiß heute noch nicht, wieso Heinrich ihr Kind ist und nicht das der Majorin a. D. Wolkenstein.

    Der Tag ist blau und sehr schön. Der Himmel bauscht sich wie ein riesiges Seidenzelt über der Stadt. Die feuchte Kühle des Morgens hängt noch in den Kronen der Bäume. Die Vögel zwitschern, als gäbe es nur den beginnenden Sommer, die Nester und das junge Leben darin. Es geht sie nichts an, daß der Dollar wie ein häßlicher, schwammiger Pilz auf fünfzigtausend angeschwollen ist. Auch nicht, daß in der Morgenzeitung drei Selbstmorde gemeldet worden sind – alle von ehemaligen kleinen Rentnern; alle auf die Lieblingsart der Armen begangen: mit dem offenen Gashahn. Die Rentnerin Kubalke ist mit dem Kopf im Backofen ihres Herdes gefunden worden; der pensionierte Rechnungsrat Hopf frisch rasiert, in seinem letzten, tadellos gebürsteten, stark geflickten Anzug, vier wertlose rotgestempelte Tausendmarkscheine wie Einlaßbillette zum Himmel in der Hand; und die Witwe Glaß auf dem Flur ihrer Küche, ihr Sparkassenbuch, das eine Einlage von fünfzigtausend Mark zeigte, zerrissen neben sich. Die rotgestempelten Tausendmarkscheine Hopfs sind eine letzte Fahne der Hoffnung gewesen; seit langem bestand der Glaube, sie würden irgendwann einmal wieder aufgewertet werden. Woher das Gerücht kam, weiß kein Mensch. Nirgendwo auf ihnen steht, daß sie in Gold auszahlbar sind, und selbst wenn es dastünde: der Staat, dieser immune Betrüger, der selbst Billionen unterschlägt, aber jeden, der ihm nur fünf Mark veruntreut, einsperrt, würde schon einen Kniff finden, sie nicht auszuzahlen. Erst vorgestern hat in der Zeitung eine Erklärung gestanden, daß sie keine Vorzugsbehandlung genießen würden. Dafür steht heute die Todesanzeige Hopfs drin.

    Aus der Werkstatt des Sargtischlers Wilke dringt Klopfen, als hause dort ein

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