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Der schwarze Obelisk. Geschichte einer verspäteten Jugend

Der schwarze Obelisk. Geschichte einer verspäteten Jugend

Titel: Der schwarze Obelisk. Geschichte einer verspäteten Jugend Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erich Maria Remarque
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verkaufen.»
    Der Schreiber grinst jetzt offen.
      «Noch einen Schnaps?» fragt Döbbeling und grinst ebenfalls. Sie haben uns in der Falle. Wir können nichts machen.
      In diesem Augenblick kommt jemand rasch über den Hof gelaufen. «Herr Vorsteher!» schreit er durchs Fenster. «Sie müssen rasch kommen. Es ist was passiert!»
      «Was?»
      «Beste! Sie haben den Tischler – sie wollten seine Fahne herunterholen, und da ist es passiert!»
      «Was? Hat Beste geschossen? Dieser verdammte Sozialist!»
      «Nein! Beste ist – er blutet –»
      «Sonst keiner?»
      «Nein, nur Beste –»
      Das Gesicht Döbbelings wird heiter. «Ach so! Deshalb brauchen Sie doch nicht so zu schreien!»
      «Er kann nicht aufstehen. Blutet aus dem Mund.»
      «Hat ein paar in seine freche Schnauze gekriegt», erklärt der kleine Schreiber. «Wozu muß er die andern auch herausfordern? Wir kommen schon. Alles mit der Ruhe.»
      «Sie entschuldigen wohl», sagt Döbbeling würdig zu uns. «Aber dies ist amtlich. Ich muß die Sache untersuchen. Wir müssen Ihre Angelegenheit verschieben.»
      Er glaubt, uns jetzt völlig erledigt zu haben und zieht seinen Rock an. Wir gehen mit ihm hinaus. Er hat keine große Eile. Wir wissen warum. Niemand wird sich mehr erinnern, wenn er ankommt, wer Beste verprügelt hat. Eine alte Sache.
      Beste liegt im engen Flur seines Hauses. Die Fahne der Republik liegt zerrissen neben ihm. Vor dem Hause steht eine Anzahl Leute. Von der eisernen Garde sind keine dabei. «Was ist passiert?» fragt Döbbeling den Gendarmen, der mit einem Notizbuch neben der
    Tür steht.
    Der Gendarm will berichten. «Waren Sie dabei?» fragt er.
    «Nein. Ich wurde später geholt.»
    «Gut. Dann wissen Sie also nichts. Wer war dabei?»
      Niemand antwortet. «Wollen Sie nicht einen Arzt holen lassen?» fragt Georg.
      Döbbeling sieht ihn unfreundlich an. «Ist das nötig? Etwas Wasser –»
      «Es ist nötig. Der Mann stirbt.»
      Döbbeling dreht sich eilig herum und beugt sich über Beste. «Stirbt?»
      «Stirbt. Er hat einen schweren Blutsturz. Vielleicht hat er auch Brüche. Es sieht aus, als wäre er die Treppe hinuntergeworfen worden.»
      Döbbeling sieht Georg Kroll mit einem langsamen Blick an. «Das dürfe einstweilen wohl nur Ihre Vermutung sein, Herr Kroll, und weiter nichts. Wir wollen dem Kreisarzt überlassen, das festzustellen.»
      «Kommt kein Arzt für den Mann hier?»
      «Lassen Sie das meine Sorge sein. Einstweilen bin ich der Ortsvorsteher und nicht Sie. Holt Doktor Bredius», sagt Döbbeling zu zwei Burschen mit Fahrrädern. «Sagt, ein Unglück sei passiert.»
      Wir warten. Bredius kommt auf einem der Fahrräder der beiden Burschen. Er springt herunter und geht in den Flur. «Der Mann ist tot», sagt er, als er wieder aufsteht.
      «Tot?»
      «Ja, tot. Das ist doch Beste, nicht wahr? Der mit dem Lungenschuß.»
      Der Vorsteher nickt unbehaglich. «Es ist Beste. Von einem Lungenschuß weiß ich nichts. Aber vielleicht hat der Schreck
    – er hatte wohl ein schwaches Herz –»
      «Davon bekommt man keinen Blutsturz», erklärt Bredius trocken. «Was ist denn passiert?»
      «Das nehmen wir gerade auf. Bitte nur die Leute hierzubleiben, die als Zeugen aussagen können.» Er sieht Georg und mich an.
      «Wir kommen später wieder», sage ich.
      Mit uns gehen fast alle Leute fort, die herumstehen. Es wird wenige Zeugen geben.
      Wir sitzen im Niedersächsischen Hof. Georg ist so wütend, wie ich ihn lange Zeit nicht gesehen habe. Ein junger Arbeiter erscheint. Er setzt sich zu uns. «Waren Sie dabei?» fragt Georg.
      «Ich war dabei, als Wolkenstein die andern aufetzte, die Fahne herunterzuholen. Den Schmachfleck zu beseitigen, nannte er das.»
      «Ging Wolkenstein mit?»
      «Nein.»
      «Natürlich nicht. Und die andern?»
      «Ein ganzer Haufen stürmte zu Beste hinüber. Sie hatten alle getrunken.»
      «Und dann?»
      «Ich glaube, Beste hat sich gewehrt. Sie wollten ihn wohl nicht richtig totschlagen. Aber es ist dann eben passiert. Beste hat die Fahne festhalten wollen, und dann haben sie ihn damit die Treppe heruntergestoßen. Vielleicht haben sie ihm auch ein paar zu harte Schläge auf den Rücken versetzt. Im Suff kennt man ja of seine eigene Kraf nicht. Totschlagen wollten sie ihn sicher nicht.»
      «Sie wollten ihm nur einen Denkzettel geben?»
      «Ja, genau das.»
      «So hat Wolkenstein es ihnen

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