Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der schwarze Obelisk. Geschichte einer verspäteten Jugend

Der schwarze Obelisk. Geschichte einer verspäteten Jugend

Titel: Der schwarze Obelisk. Geschichte einer verspäteten Jugend Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erich Maria Remarque
Vom Netzwerk:
gesagt, was?»
      Der Arbeiter nickt und stutzt dann. «Woher wissen Sie das?»
      «Ich kann es mir denken. Es war doch so, oder nicht?»
      Der Arbeiter schweigt. «Wenn Sie es wissen, dann wissen Sie es ja», sagt er schließlich.
      «Es sollte genau festgestellt werden. Totschlag ist eine Sache für den Staatsanwalt. Und Anstifung dazu auch.»
      Der Arbeiter zuckt zurück. «Damit habe ich nichts zu tun. Ich weiß von nichts.»
      «Sie wissen eine ganze Menge. Und ebenso wissen noch mehr Leute, was passiert ist.»
      Der Arbeiter trinkt sein Bier aus. «Ich habe nichts gesagt», erklärt er entschlossen. «Und ich weiß von nichts. Was meinen Sie, was mir geschehen würde, wenn ich das Maul nicht halte? Nein, Herr, nicht ich! Ich habe eine Frau und ein Kind und muß leben. Glauben Sie, daß ich noch Arbeit fände, wenn ich quatschte? Nein, Herr, suchen Sie sich einen andern dafür! Nicht mich!»
      Er verschwindet. «So wird es mit allen sein», sagt Georg finster.
      Wir warten. Draußen sehen wir Wolkenstein vorbeigehen. Er ist nicht mehr in Uniform und trägt einen braunen Koffer. «Wohin geht er?» frage ich.
      «Zum Bahnhof. Er wohnt nicht mehr in Wüstringen. Ist nach Werdenbrück verzogen, als Kreisvorsitzender der Kriegerverbände. Kam nur zur Einweihung hierher. Im Koffer ist seine Uniform.»
      Kurt Bach erscheint mit seinem Mädchen. Sie haben Blumen mitgebracht. Das Mädchen ist untröstlich, als es hört, was vorgefallen ist. «Dann wird sicher der Ball abgesagt.»
      «Ich glaube nicht», sage ich.
      «Doch, sicher. Wenn ein Toter über der Erde steht. So ein Unglück!»
      Georg steht auf. «Komm», sagt er zu mir. «Es hilf nichts. Wir müssen noch einmal zu Döbbeling.»
      Das Dorf ist plötzlich still. Die Sonne steht schräg hinter dem Kriegerdenkmal. Der marmorne Löwe Kurt Bachs leuchtet. Döbbeling ist jetzt nichts mehr als Amtsperson.
      «Sie wollen doch nicht im Angesicht des Todes wieder von Geld reden?» erklärt er sofort.
      «Doch», sagt Georg. «Das ist unser Beruf. Wir sind immer im Angesicht des Todes.»
      «Sie müssen sich gedulden. Ich habe jetzt keine Zeit. Sie wissen ja, was passiert ist.»
      «Das wissen wir. Wir haben auch inzwischen den Rest erfahren. Sie können uns als Zeugen buchen, Herr Döbbeling. Wir bleiben hier, bis wir das Geld bekommen, stehen also der Kriminalpolizei gerne morgen früh zur Verfügung.»
      «Zeugen? Was für Zeugen? Sie waren ja gar nicht dabei.»
      «Das lassen Sie unsere Sache sein. Sie müssen doch daran interessiert sein, alles festzustellen, was mit dem Totschlag an dem Tischler zu tun hat. An dem Totschlag und der Anstifung dazu.»
      Döbbeling starrt Georg lange an. Dann sagt er langsam:
      «Soll das eine Erpressung sein?»
      Georg steht auf. «Wollen Sie mir einmal genau erklären, was Sie damit meinen?»
      Döbbeling erwidert nichts. Er sieht Georg weiter an. Georg hält den Blick aus. Dann geht Döbbeling zu einem Geldschrank, öffnet ihn und legt einige Packen Geldscheine auf den Tisch. «Zählen Sie nach und quittieren Sie.»
      Das Geld liegt zwischen den leeren Schnapsgläsern und den Kaffeetassen auf dem rotkarierten Tischtuch. Georg zählt es nach und schreibt die Quittung. Ich blicke zum Fenster hinaus. Die gelben und grünen Felder schimmern immer noch; aber sie sind nicht mehr die Harmonie des Daseins; sie sind weniger und mehr.
      Döbbeling nimmt die Quittung Georgs entgegen. «Sie sind sich wohl darüber klar, daß Sie auf unserem Friedhof keinen Grabstein mehr aufstellen werden», sagt er.
      Georg schüttelt den Kopf. «Da irren Sie sich. Wir werden sogar bald einen aufstellen. Für den Tischler Beste. Gratis. Und das hat nichts mit Politik zu tun. Sollten Sie beschließen, den Namen Bestes mit auf das Kriegerdenkmal zu setzen, so sind wir ebenfalls bereit, das umsonst auszuführen.»
      «Dazu wird es wohl nicht kommen.»
      «Das dachte ich mir.»
      Wir gehen zum Bahnhof. «Der Kerl hatte also das Geld da», sage ich.
      «Natürlich. Ich wußte, daß er es hatte. Er hat es schon seit acht Wochen und hat damit spekuliert. Hat glänzend daran verdient. Wollte noch einige Hunderttausende mehr damit machen. Wir hätten es auch nächste Woche nicht gekriegt.»
      Am Bahnhof erwarten uns Heinrich Kroll und Kurt Bach.
      «Habt ihr das Geld?» fragt Heinrich.
      «Ja.»
      «Dachte ich mir. Sind hochanständige Leute hier.

Weitere Kostenlose Bücher