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Der schwarze Obelisk. Geschichte einer verspäteten Jugend

Der schwarze Obelisk. Geschichte einer verspäteten Jugend

Titel: Der schwarze Obelisk. Geschichte einer verspäteten Jugend Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erich Maria Remarque
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einem bronzenen Lorbeerkranz, eine Marmorbank zum Ausruhen und zum stillen Gebet für Sie, rundherum Blumen, Zypressen, Kieswege, ein Vogelbad für unsere gefiederten Sänger, eine Grabeinfassung von niedrigen Granitsäulen und Bronzeketten, eine schwere Eisentür mit dem Monogramm, dem Familienwappen oder dem Wahrzeichen der Bäckerinnung –»
      Frau Niebuhr lauscht, als spiele Moritz Rosenthal ein Nocturne von Chopin. «Klingt ganz gut», sagt sie dann. «Aber haben Sie nicht etwas Originelles?»
      Ich starre sie ärgerlich an. Sie starrt kalt zurück – das Urbild des ewigen Kunden mit Geld.
      «Es gibt schon originelle Sachen», erwidere ich sanf und gifig. «Zum Beispiel solche wie auf dem Campo Santo in Genua. Unser Bildhauer hat dort jahrelang gearbeitet. Eines der Glanzstücke ist von ihm – eine weinende Frauengestalt, über einen Sarg gebeugt, im Hintergrund der auferstandene Tote, der von einem Engel himmelwärts geführt wird. Der Engel sieht zurück und segnet mit der freien Hand die trauernde Hinterbliebene. Alles das in weißem carrarischem Marmor, der Engel entweder mit angelegten oder ausgebreiteten Flügeln –»
      «Ganz nett. Was gibt es sonst noch?»
      «Man stellt häufig auch den Beruf des Verschiedenen dar. Man könnte zum Beispiel einen Bäckermeister beim Brotkneten aushauen. Hinter ihm steht der Tod und tippt ihm auf die Schulter. Der Tod kann mit oder ohne Sense gezeigt werden, entweder in ein Bahrtuch gekleidet, oder aber nackt, das heißt in diesem Falle als Gerippe, eine sehr schwierige bildhauerische Leistung, besonders bei den Rippen, die ja einzeln sehr vorsichtig ausgemeißelt werden müssen, damit sie nicht brechen.»
      Frau Niebuhr schweigt, als erwarte sie mehr. «Die Familie kann natürlich auch noch hinzugefügt werden», fahre ich fort. «Betend zur Seite oder schreckerfüllt dem Tode wehrend. Das sind aber Objekte, die in die Billionen gehen und ein oder zwei Jahre Arbeit erfordern. Ein großer Vorschuß und Ratenzahlungen wären dazu unerläßlich.»
      Ich habe plötzlich Angst, daß sie einen der Vorschläge annehmen könnte. Kurt Bach kann höchstens einen windschiefen Engel modellieren; aber viel weiter geht seine Kunst nicht. Immerhin, zur Not könnten wir die Bildhauerarbeiten anderswo bestellen.
      «Und sonst?» fragt Frau Niebuhr unerbittlich.
      Ich überlege, ob ich diesem unbarmherzigen Teufel etwas von dem Grabmal in Form eines Sarkophags erzählen soll, dessen Deckel sich etwas verschoben hat und aus dem eine skelettige Hand herausgreif – aber ich lasse es. Unsere Positionen sind zu ungleich; sie ist der Käufer und ich bin der Verkäufer, sie kann mich schikanieren, ich sie nicht – denn vielleicht kauf sie doch etwas.
      «Das wäre alles für den Augenblick.»
      Frau Niebuhr wartet noch einen Moment. «Wenn Sie weiter nichts haben, muß ich zu Hollmann und Klotz gehen.»
      Sie sieht mich mit ihren Käferaugen an. Den Trauerschleier hat sie über den schwarzen Hut emporgeschlagen. Sie erwartet, daß ich jetzt ein wildes Teater mache. Ich tue es nicht. «Sie werden uns damit ein Vergnügen machen», erkläre ich statt dessen kalt. «Es ist unser Prinzip, die Konkurrenz heranzuziehen, damit man sieht, wie leistungsfähig unsere Firma ist. Bei Aufrägen mit so viel Bildhauerarbeit kommt es natürlich sehr auf den Künstler an, sonst hat man plötzlich, wie kürzlich bei der Arbeit eines unserer Konkurrenten, dessen Namen ich verschweigen möchte, einen Engel mit zwei linken Füßen. Auch schielende Mütter Gottes sind schon dagewesen und ein Christus mit elf Fingern. Als man es merkte, war es dann zu spät.»
      Frau Niebuhr läßt den Schleier herunter wie einen Teatervorhang. «Ich werde schon aufpassen!»
      Ich bin überzeugt, daß sie das tun wird. Sie ist ein gieriger Genießer ihrer Trauer und schlürf sie in vollen Zügen. Es wird noch lange dauern, bis sie etwas bestellt; denn solange sie sich nicht entscheidet, kann sie alle Grabsteingeschäfe drangsalieren – nachher aber nur noch das eine, bei dem sie bestellt hat. Sie ist jetzt gewissermaßen noch ein flotter Junggeselle der Trauer – später ist sie wie ein verheirateter Mann, der treu sein muß.

    Der Sargtischler Wilke kommt aus seiner Werkstatt. In seinem Schnurrbart hängen Hobelspäne. Er hält ein Kistchen appetitlicher Kieler Sprotten in der Hand und ißt sie schmatzend.
      «Wie denken Sie über das Leben?» frage ich ihn.
      Er hält an.

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