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Der schwarze Obelisk. Geschichte einer verspäteten Jugend

Der schwarze Obelisk. Geschichte einer verspäteten Jugend

Titel: Der schwarze Obelisk. Geschichte einer verspäteten Jugend Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erich Maria Remarque
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Zwillinge, die kaum zu unterscheiden sind. Die Mutter kann es, am Geruch, Knopf ist es egal, und von uns anderen kann es keiner genau. Ich versinke in Gedanken darüber, wie es sein müßte, wenn man einen Zwilling heiratete und der zweite wohnte im selben Hause.
      Gerda unterbricht mich. Sie steht im Hofeingang und lacht. Ich lege meine Zeichnung beiseite. Der Zwilling verschwindet. Wilke hört auf, sich zu waschen. Er zeigt hinter Gerdas Rücken auf das leere Sprottenkistchen, das die Katze durch den Hof schiebt, dann auf sich und hebt zwei Finger. Dazu flüstert er lautlos: «Zwei.»
      Gerda trägt heute einen grauen Sweater, einen grauen Rock und eine schwarze Baskenmütze. Sie sieht nicht mehr aus wie ein Papagei; sie ist hübsch und sportlich und guter Laune. Ich blicke sie mit neuen Augen an. Eine Frau, die ein anderer begehrt, auch wenn es nur ein liebestoller Sargtischler ist, wird sofort kostbarer als vorher. Der Mensch lebt nun einmal viel mehr vom relativen als vom absoluten Wert.
      «Warst du heute in der Roten Mühle?» frage ich.
      Gerda nickt. «Eine Stinkbude! Ich habe da geprobt. Wie ich diese Lokale mit dem kalten Tabakqualm hasse!»
      Ich sehe sie beifällig an. Wilke hinter ihr knöpf sein Hemd zu, streicht sich die Hobelspäne aus dem Schnurrbart und fügt seinem Angebot drei Finger hinzu. Fünf Kistchen Sprotten! Ein schönes Angebot, aber ich beachte es nicht. Vor mir steht das Glück einer Woche, klar, fest, ein Glück, das nicht schmerzt – das einfache Glück der Sinne und der gemäßigten Phantasie, das kurze Glück eines Nachtklub-Engagements von vierzehn Tagen, ein Glück, das schon halb vorüber ist, das mich von Erna erlöst hat und das selbst Isabelle zu dem gemacht hat, was sie sein sollte: eine Fata Morgana, die nicht schmerzt und die keine Wünsche weckt, die unerfüllbar sind.
      «Komm, Gerda», sage ich voll plötzlich aufschießender sachlicher Dankbarkeit. «Laß uns heute erstklassig essen gehen! Bist du hungrig?»
      «Ja, sehr. Wir können irgendwo –»
      «Nichts von Kartoffelsalat heute und nichts von Würstchen! Wir werden hervorragend essen und ein Jubiläum feiern: die Mitte unseres gemeinsamen Lebens. Vor einer Woche warst du zum erstenmal hier; in einer Woche wirst du mir vom Bahnhof aus Lebewohl zuwinken. Laß uns das erste feiern und an das zweite nicht denken!»
      Gerda lacht. «Ich habe auch gar keinen Kartoffelsalat machen können. Zuviel Arbeit. Zirkus ist was anderes als blödes Kabarett.»
      «Gut, dann gehen wir heute ins ,Walhalla‘. Ißt du gern Gulasch?»
      «Ich esse gern», erwidert Gerda.
      «Das ist es! Laß uns dabei bleiben! Und nun auf zum Fest der großen Mitte unseres kurzen Lebens!»
      Ich werfe den Zeichenblock durch das offene Fenster auf den Schreibtisch. Im Weggehen sehe ich noch Wilkes maßlos enttäuschte Visage. Mit trostlosem Ausdruck hält er beide Hände hoch – zehn Kistchen Sprotten – ein Vermögen!

    «Warum nicht?» sagt Eduard Knobloch kulant zu meinem Erstaunen. Ich hatte erbitterten Widerstand erwartet. Die Eßmarken gelten nur für mittags, aber nach einem Blick auf Gerda ist Eduard nicht nur bereit, sie auch für heute abend zu akzeptieren, er bleibt sogar am Tisch stehen: «Würdest du mich bitte vorstellen?»
      Ich bin in einer Zwangslage. Er hat die Eßmarken akzeptiert – also muß ich ihn akzeptieren. «Eduard Knobloch, Hotelier, Restaurateur, Poet, Billionär und Geizhals», erkläre ich nachlässig. «Fräulein Gerda Schneider.»
      Eduard verneigt sich, halb geschmeichelt, halb verärgert.
      «Glauben Sie ihm nichts von allem, gnädiges Fräulein.»
      «Auch nicht deinen Namen?» frage ich.
      Gerda lächelt. «Sie sind Billionär? Wie interessant!»
      Eduard seufzt. «Nur ein Geschäfsmann mit allen Sorgen eines Geschäfsmannes. Hören Sie nicht auf diesen leichtfertigen Schwätzer da! Und Sie? Ein schönes, strahlendes Ebenbild Gottes, sorgenlos wie eine Libelle über den dunklen Teichen der Schwermut schwebend –»
      Ich glaube, nicht recht gehört zu haben, und glotze Eduard an, als hätte er Gold gespuckt. Gerda scheint heute eine magische Anziehungskraf zu haben. «Laß die Stuckornamente, Eduard», sage ich. «Die Dame ist selbst Künstlerin. Bin ich der dunkle Teich der Schwermut? Wo bleibt das Gulasch?»
      «Ich finde, Herr Knobloch spricht sehr poetisch!» Gerda schaut Eduard mit unschuldiger Begeisterung an. «Wie finden Sie nur Zeit dafür?

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