Der schwarze Obelisk. Geschichte einer verspäteten Jugend
Klavier.
«Klara bereitet sich vor», sagt er. «Wir haben über drei Millionen in Wetten zusammen. Hoffentlich ist sie in Höchstform;
sonst bin ich halb bankrott.»
Er blinzelt mir zu. «Spielen Sie etwas sehr Schmissiges, wenn es soweit ist. Das facht sie immer mächtig an. Sie ist ja verrückt mit Musik.»
«Ich werde den ,Einzug der Gladiatoren‘ spielen. Aber wie wäre es mit einer kleinen Seitenwette für mich?»
Karl blickt auf. «Lieber Herr Bodmer», sagt er verletzt.
«Sie wollen doch nicht gegen Klara wetten! Wie können Sie dann überzeugend spielen?»
«Nicht gegen sie. Mit ihr. Eine Seitenwette.»
«Wieviel?» fragt Karl rasch.
«Lumpige achtzigtausend», erwidere ich. «Es ist mein ganzes Vermögen.»
Karl überlegt einen Augenblick. Dann dreht er sich um.
«Ist noch jemand da, der achtzigtausend wetten will? Gegen unseren Klavierspieler?»
«Ich!» Ein dicker Mann tritt vor, holt Geld aus einem kleinen Köfferchen und knallt es auf den Ladentisch.
Ich lege mein Geld daneben. «Der Gott der Diebe beschütze mich», sage ich. «Sonst bin ich morgen aufs Mittagessen allein angewiesen.»
«Also los!» sagt Karl Brill.
Der Nagel wird herumgezeigt. Dann tritt Karl an die Wand, setzt ihn in der Höhe eines menschlichen Gesäßes an und schlägt ihn zu einem Drittel ein. Er schlägt weniger stark, als seine Gebärden es vermuten lassen.
«Sitzt gut und fest», sagt er und tut, als rüttele er kräfig an dem Nagel.
«Das werden wir erst einmal prüfen.»
Der Dicke, der gegen mich gewettet hat, tritt vor. Er bewegt den Nagel und grinst. «Karl», sagt er hohnlachend. «Den blase ich ja
aus der Wand. Gib mal den Hammer her.»
«Blase ihn erst aus der Wand.»
Der Dicke bläst nicht. Er zerrt kräfig, und der Nagel ist draußen. «Mit meiner Hand», sagt Karl Brill, «kann ich einen Nagel durch eine Tischplatte schlagen. Mit meinem Hintern nicht. Wenn ihr solche Bedingungen stellt, lassen wir das Ganze lieber sein.»
Der Dicke antwortet nicht. Er nimmt den Hammer und schlägt den Nagel an einer anderen Stelle der Wand ein.
«Hier, wie ist das?»
Karl Brill prüf. Etwa sechs oder sieben Zentimeter des Nagels ragen noch aus der Wand. «Zu fest. Den kann man nicht einmal mit der Hand mehr herausreißen.»
«Entweder – oder», erklärt der Dicke.
Karl prüf noch einmal. Der Dicke legt den Hammer auf den Ladentisch und merkt nicht, daß Karl jedesmal, wenn er probiert, wie fest der Nagel sei, ihn dadurch lockert.
«Ich kann keine Wette eins zu eins darauf annehmen», sagt Karl schließlich. «Nur zwei zu eins, und auch da muß ich verlieren.»
Sie einigen sich auf sechs zu vier. Ein Haufen Geld türmt sich auf dem Ladentisch. Karl hat noch zweimal entrüstet an dem Nagel gezerrt, um zu zeigen, wie unmöglich die Wette sei. Jetzt spiele ich den «Einzug der Gladiatoren», und bald darauf rauscht Frau Beckmann in die Werkstatt, in einen losen, lachsroten chinesischen Kimono gekleidet, mit eingestickten Päonien und einem Phönix auf dem Rücken.
Sie ist eine imposante Figur mit dem Kopf eines Bullenbeißers, aber eines eher hübschen Bullenbeißers. Sie hat reiches, krauses, schwarzes Haar und glänzende Kirschenaugen – der Rest ist bullenbeißerisch, besonders das Kinn. Der Körper ist mächtig und völlig aus Eisen. Ein Paar steinharter Brüste ragt wie ein Bollwerk hervor, dann kommt eine im Verhältnis zierliche Taille und dann das berühmte Gesäß, um das es hier geht. Es ist gewaltig und ebenfalls steinhart. Selbst einem Schmied soll es angeblich unmöglich sein, hineinzukneifen, wenn Frau Beckmann es anspannt; er bricht sich eher die Finger. Karl Brill hat auch damit schon Wetten gewonnen, allerdings nur im intimsten Freundeskreise. Heute, wo der Dicke dabei ist, wird nur das andere Experiment gemacht – den Nagel mit dem Gesäß aus der Wand zu reißen.
Alles geht sehr sportlich und kavaliersmäßig zu; Frau Beckmann grüßt zwar, ist aber sonst reserviert und beinahe abweisend. Sie betrachtet die Angelegenheit nur von der sportlich-geschäflichen Seite. Ruhig stellt sie sich mit dem Rücken zur Wand, hinter einen niedrigen Paravent, macht ein paar fachmännische Bewegungen und steht dann still, das Kinn gereckt, bereit, und ernst, wie es sich bei einer großen sportlichen Leistung geziemt.
Ich breche den Marsch ab und beginne zwei tiefe Triller, die klingen sollen
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