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Der schwarze Obelisk. Geschichte einer verspäteten Jugend

Der schwarze Obelisk. Geschichte einer verspäteten Jugend

Titel: Der schwarze Obelisk. Geschichte einer verspäteten Jugend Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erich Maria Remarque
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in den Dörfern?»
      «Ziemlich harmlos. Die Bauern sind gut im Futter. In der Stadt ist es anders. Ich habe zwei Fälle, wo Hollmann und Klotz vor dem Abschluß stehen. Ein roter Granit, einseitig poliert, Hügelstein, zwei bossierte Sockel, ein Meter fünfzig hoch, zwei Millionen zweihunderttausend Mark – ein kleiner, einszehn hoch, eine Million dreihunderttausend Eier. Gute Preise. Wenn Sie hunderttausend weniger verlangen, haben Sie sie. Meine Provision
    ist zwanzig Prozent.»
    «Fünfzehn», erwidere ich automatisch.
      «Zwanzig», erklärt Tränen-Oskar. «Fünfzehn kriege ich bei Hollmann und Klotz auch. Wozu da der Verrat?»
      Er lügt. Hollmann und Klotz, deren Reisender er ist, zahlen ihm zehn Prozent und Spesen. Die Spesen bekommt er ohnehin; er macht also bei uns ein Geschäf von zehn Prozent extra.
      «Barzahlung?»
      «Das müssen Sie selbst sehen. Die Leute sind gut situiert.»
      «Herr Fuchs», sage ich. «Warum kommen Sie nicht ganz zu uns? Wir zahlen besser als Hollmann und Klotz und können einen erstklassigen Reisenden brauchen.»
      Fuchs zwinkert. «Es macht mir so mehr Spaß. Ich bin ein gefühlsmäßiger Mensch. Wenn ich mich über den alten Hollmann ärgere, schiebe ich Ihnen einen Abschluß zu, als Rache. Wenn ich ganz für Sie arbeitete, würde ich mich über Sie ärgern.»
      «Da ist was dran», sage ich.
      «Das meine ich. Ich würde dann Sie an Hollmann und Klotz verraten. Reisen in Grabsteinen ist langweilig; man muß es etwas beleben.»
      «Langweilig? Für Sie? Wo Sie doch jedesmal eine artistische Vorstellung geben?»
      Fuchs lächelt wie Gaston Münch im Stadttheater, nachdem er den Karl-Heinz in «Alt-Heidelberg» gespielt hat.
      «Man tut, was man kann», erklärt er mit tobender Bescheidenheit.
      «Sie sollen sich großartig entwickelt haben. Ohne Hilfsmittel. Rein intuitiv. Stimmt das?»
      Oskar, der früher mit rohen Zwiebelscheiben gearbeitet hat, bevor er die Trauerhäuser betrat, behauptet jetzt, die Tränen frei wie ein großer Schauspieler erzeugen zu können. Das ist natürlich ein riesiger Fortschritt. Er braucht so nicht weinend das Haus zu betreten, wie bei der Zwiebeltechnik, wo dann, wenn das Geschäf länger dauert, die Tränen versiegen, weil er ja die Zwiebel nicht anwenden kann, solange die Trauernden dabeisitzen – im Gegenteil, er kann jetzt trockenen Auges hineingehen und während des Gespräches über den Abgeschiedenen in natürliche Tränen ausbrechen, was selbstverständlich von ganz anderer Wirkung ist. Es ist ein Unterschied wie zwischen echten und künstlichen Perlen. Oskar behauptet, so überzeugend zu sein, daß er sogar of von den Hinterbliebenen getröstet und gelabt wird.
      Georg Kroll kommt aus seiner Bude. Eine Fehlfarben-Havanna dampf unter seiner Nase, und er ist die Zufriedenheit selbst. Geradewegs geht er aufs Ziel los.
      «Herr Fuchs», sagt er. «Ist es wahr, daß Sie auf Befehl weinen können, oder ist das eine niederträchtige Schreckpropaganda unserer Konkurrenz?»
      Statt einer Antwort starrt Oskar ihn an. «Nun?» fragt Georg. «Was ist? Fühlen Sie sich nicht gut?»
      «Einen Augenblick! Ich muß erst in Stimmung kommen.» Oskar schließt die Augen. Als er die Lider wieder öffnet, wirken sie schon etwas wäßrig. Er starrt Georg weiter an, und nach einer Weile stehen ihm tatsächlich dicke Tränen in den blauen Augen. Noch eine Minute, und sie rollen ihm über die Wangen. Oskar zieht ein Taschentuch heraus und tupf sie auf. «Wie war das?» fragt er und zieht die Uhr. «Knappe zwei Minuten. Manchmal schaffe ich es in einer, wenn eine Leiche im Hause ist.»
      «Großartig.»
      Georg schenkt von dem Kundenkognak ein. «Sie sollten Schauspieler werden, Herr Fuchs.»
      «Daran habe ich auch schon gedacht; aber es gibt zu wenige Rollen, in denen männliche Tränen verlangt werden. Othello
    natürlich, aber sonst –»
    «Wie machen Sie es? Irgendein Trick?»
      «Imagination», erwidert Fuchs schlicht. «Starke, bildhafte Vorstellungskraf.»
      «Was haben Sie sich denn jetzt vorgestellt?»
      Oskar trinkt sein Glas aus. «Offen gestanden, Sie, Herr Kroll. Mit zersplitterten Beinen und Armen und einem Schwarm Ratten, der Ihnen langsam das Gesicht abfrißt, während Sie noch leben, wegen der gebrochenen Arme die Nager aber nicht abwehren können. Entschuldigen Sie, aber für eine so rasche Vorstellung brauchte ich ein sehr starkes Bild.»
      Georg fährt sich mit der

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