Der Schwarze Orden
Chateau des Avenieres fahren – selbst auf die Gefahr hin, daß sie dort kein Zimmer mehr bekam.
27
Es gab auch andere Männer, die Nachteulen waren und Erfolg hatten, weil sie arbeiteten, während der Rest der Menschheit schlief. Einer von ihnen war Captain William Wellesley Carrington. Als in seinem Zimmer im Dolder Grand – wo er kurz zuvor telefonisch die Einladung von Tweed ausgeschlagen hatte – das Telefon läutete, studierte er gerade verschiedene Angebote für Maschinenpistolen. »Ja? Wer ist da, bitte?«
»Langsam sollten Sie meine Stimme eigentlich kennen«, sagte Hassan.
»Keine Namen, keine langen Formalitäten.« »Wie bitte?«
»Nur so eine alte Redewendung, lieber Freund. Was verschafft mir zu so später Stunde die Ehre Ihres Anrufs?«
»Ein Großauftrag für Sie. Wenn der Preis stimmt – und wenn Sie liefern können.«
»Ob der Preis stimmt, bestimme ich, und sobald die andere Seite einverstanden ist, liefere ich immer. Das müßten Sie inzwischen eigentlich wissen.«
»Sie müssen hierherkommen. Mein Vater hat mir einen Gulfstream-Jet geliehen. Damit lasse ich Sie morgen früh um neun Uhr in Kloten abholen.«
»Nein, das werden Sie nicht. Sie werden morgen damit hierherfliegen. Ich erwarte Sie um zehn im Dolder Grand.«
»So können Sie mit mir nicht umspringen«, tobte Hassan.
»Finden Sie wirklich? Wenn es Ihnen nicht paßt, dann lassen Sie es eben. Ich habe hier im Moment zuviel zu tun, um Zürich verlassen zu können. Um was geht es bei diesem sogenannten Großauftrag?«
»Für Sie springen jedenfalls einige Millionen dabei heraus.«
»Eigentlich habe ich gar keine Zeit. Aber ich werde trotzdem hier auf Sie warten. Es sei denn, Sie wollen nicht kommen. Etwas präziser müssen Sie sich allerdings schon äußern. Möglicherweise muß ich noch die ganze Nacht aufbleiben, um mit allen möglichen Geschäftspartnern zu telefonieren.«
»Das kann ich Ihnen am Telefon nicht sagen. Der Umfang des Auftrags ist gigantisch.
Und wir müssen auf umgehende Lieferung dringen, am üblichen Ort.«
»Geben Sie mir einen Hinweis, oder Sie können das Ganze vergessen.«
Daraufhin trat eine lange Pause ein. Willie konnte fast hören, wie Hassan nachdachte.
Um ihn zu zermürben, blieb Willie still und setzte die Berechnungen fort, an denen er gerade gearbeitet hatte. Schließlich hörte er Hassan tief Luft holen.
»Können Sie mich verstehen?« flüsterte er.
»Ganz deutlich.«
»Einen Bazillus«, hauchte Hassan. »Riesige Mengen, sagten Sie?« »Ja.«
»Seien Sie morgen Punkt zehn hier«, sagte Willie und legte auf.
Ein
Bazillus?
Bakteriologische Kampfstoffe. Willie spielte mit einem Stift herum. Bei seinen Geschäften mit Hassan hatte er eine Menge Geld verdient.
Für Sie springen jedenfalls einige Millionen dabei heraus.
Dollar oder Pfund? fragte sich Willie.
Tweed wirkte frischer denn je, während er immer noch in der Hotelhalle des Chateau des Avenieres saß und ab und zu Kaffee nachbestellte. Newman unterdrückte ein Gähnen, aber Marler und Paula wirkten genauso munter wie Tweed.
Der Kellner war gerade gegangen, um ihnen frischen Kaffee zu bringen, als der Nachtportier an ihren Tisch kam. Er wandte sich flüsternd an Tweed.
»Eben war da noch einmal so ein seltsamer Anruf für Sie – wieder von einer Frau. Sie sagte, Ihre Frau in London wäre ernsthaft erkrankt.«
»Was?«
Einen Moment war Tweed heftig erschrocken, doch dann schaltete sich sein Verstand wieder ein. Ihm wurde schnell klar, daß da irgend etwas nicht stimmen konnte – seine Frau hatte ihn vor Jahren verlassen. Seitdem hatte er nichts mehr von ihr gehört. Selbst wenn sie tatsächlich schwer erkrankt wäre, wäre er der letzte gewesen, den sie davon in Kenntnis gesetzt hätte. Außerdem konnte sie unmöglich wissen, wo er zu erreichen war – er hatte Monica im SIS-Hauptquartier noch nicht über die jüngsten Entwicklungen informiert.
»Hörte sie sich wie die Frau an, die vorher schon mal angerufen hat?« fragte er. »Als die Verbindung unterbrochen wurde?«
»Nein, eigentlich nicht. Als ich sie fragte, ob sie heute schon einmal angerufen hätte, sagte sie allerdings ja. Und als ich darauf bemerkte, ihr Stimme höre sich anders an, meinte sie, sie hätte sich erkältet. Ich bin sicher, es war eine andere Frau.«
»Ich scheine ja außerordentlich gefragt zu sein«, bemerkte Tweed im Spaß. »Ich habe keine Frau. Hat sie sonst noch etwas gesagt?«
»Sie bat mich, sie zu Ihnen durchzustellen, worauf ich ihr
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