Der Schwarze Orden
der ›Dummy‹, der mit dem Rücken zu ihr auf einem Stuhl saß, am Leben war. Ihr entging nicht, daß er sich leicht bewegte. Sie ging, wie man ihr gesagt hatte, von hinten auf den Bauern zu, richtete die Luger auf seinen Hinterkopf und drückte ab. Es war ganz einfach gewesen. Und sie hatte dafür einen Vorschuß von zwanzigtausend Dollar kassiert.
Vor der Ermordung Pierre Dumonts in Zürich hatte sie bereits ein anderes Mitglied des
Institut
umgebracht. In keinem von beiden Fällen hatte sich so etwas wie eine Schockreaktion eingestellt. Beide Opfer waren verheiratet gewesen. Deshalb fand sie, daß sie den Tod verdient hatten. Sie waren schlecht.
Bei ihrem Eintreffen im Hotel stellte sie zu ihrer Überraschung fest, daß ein Päckchen von Cartier für sie abgegeben worden war. Es enthielt eine Luger mit Munition.
Daraus schloß sie, daß Hassan in Panik geriet. Denn ursprünglich hatte er ihr die Adresse eines Genfer Waffenhändlers gegeben.
Sie blieb auf ihrem Zimmer und rief in allen führenden Genfer Hotels an.
Grundsätzlich bediente sie sich der gleichen Methode wie Tina Langley. Lediglich ihre Begründung war etwas anderer Natur.
»Ich muß dringend mit Mr. Tweed sprechen. Seine Frau in England ist schwer erkrankt. Falls er nicht erreichbar ist, wird sein Freund Christopher Kane eine Nachricht entgegennehmen…«
Sie hatte kein einziges Mal Erfolg. Darauf holte sie eine Karte von Genf und Umgebung heraus und zog einen Kreis. Dabei stellte sie fest, daß Genf so nahe an der französischen Grenze lag, daß auch ein Teil Frankreichs innerhalb dieses Kreises lag.
Als sie nach unten ging, um etwas zu essen, stellte sie fest, daß der Nachtportier noch nicht zum Dienst erschienen war. Sie unterhielt sich lieber mit ihm als mit seinem Kollegen von der Tagschicht, da er sich in der Regel zu Tode langweilte, weil so gut wie nichts passierte.
Es war schon ziemlich spät abends, als sie das Gartenrestaurant verließ, das sie an das Baur au Lac erinnerte. Mit einem aufreizenden Lächeln ging sie auf die Rezeption zu.
»Ich habe für zwei Nächte ein Zimmer bestellt«, wandte sie sich an den Nachtportier.
»Ein guter Freund von mir wohnt in einem Hotel in Frankreich, dessen Namen ich leider vergessen habe. Ich kann mich nur erinnern, daß er sagte, es läge gleich hinter der Grenze. Es ist ein Fünf-Sterne-Hotel. Haben Sie eine Ahnung, in welchem Hotel er abgestiegen sein könnte?«
»Wenn Sie kurz vor die Tür kommen wollen, Madame, zeige ich Ihnen etwas…«
Er begleitete sie nach draußen. »Sehen Sie diese Bergkette dort drüben im Mondlicht?
Das ist der Mont Saleve. Ich habe schon sehr viel Gutes vom Chateau des Avenieres gehört. Wenn Sie dort hinwollen, brauchen Sie nur diesen Berg hinaufzufahren. Dann sind Sie in Frankreich. Haben Sie ein Auto?«
»Ja«, antwortete Simone.
»Ich zeige Ihnen auf der Karte, wie Sie hinkommen. Aber denken Sie daran: Das Hotel heißt Chateau des Avenieres. Auf dem Weg dorthin werden Sie nämlich an einem anderen Hotel vorbeikommen, dem Chateau d’Avignon. Das ist nicht annähernd so gut.«
Ohne sich große Hoffnungen zu machen, rief Simone in dem Hotel an, das ihr der Nachtportier genannt hatte.
»Ich muß dringend Mr. Tweed sprechen. Seine Frau in London ist ernsthaft erkrankt.«
»Haben Sie vorher schon mal angerufen?«
»Ja«, antwortete Simone, einer plötzlichen Eingebung folgend.
»Die Verbindung wurde plötzlich unterbrochen. Ihre Stimme klingt allerdings anders.«
»Ich habe eine Erkältung. Stellen Sie mich bitte zu Mr. Tweed durch. Ich muß ihn ganz dringend sprechen.«
»Einen Augenblick. Ich sage ihm sofort Bescheid…«
Simone legte auf. Sie konnte ihr Glück kaum fassen. Dann schenkte sie sich etwas zu trinken ein, setzte sich in einen Sessel und begann angestrengt nachzudenken.
Sowohl Tweed als auch Christopher Kane – falls er sich zufällig in Tweeds Begleitung befand – würden sie erkennen. Spielte das eine Rolle? Hätte die Züricher Polizei sie mit dem Mord an Pierre Dumont in Verbindung bringen können, wäre sie längst verhaftet worden. Niemand hatte sie belästigt.
Sie hatte unmittelbar nach ihrer Ankunft in Genf einen Wagen gemietet. Was sie außerdem beschäftigte, war der Umstand, daß der Portier sie mit einer anderen Frau verwechselt hatte. Hatte bereits ein anderes Mitglied des Ordens Tweed ausfindig gemacht? Wenn es ein Problem zu lösen galt, war Simone immer sehr entschlußfreudig. Sie würde noch in dieser Nacht zum
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