Der Schwarze Orden
hervorragend.«
»Danke, Paula«, erwiderte Simone. »Ich habe einen anstrengenden Tag hinter mir, deshalb dachte ich, ich ziehe mich noch um. Das ist gut für die Moral.«
»Sagten Sie eben tatsächlich Moral?« fragte Paula höflich.
»Sicher. Aber natürlich mehr im Sinn von Kampfmoral.«
Einen Moment verflog Simones freundliche Miene, und sie bedachte Paula mit einem giftigen Blick. Doch schon im nächsten Augenblick wandte sie sich wieder mit einem verführerischen Lächeln Newman und Marler zu.
»Cheers!« Sie nahm einen Schluck von ihrem Kir royale. »Trinken Sie denn gar nichts, Mr. Newman?«
»O doch. Zu so später Stunde bin ich richtig kaffeesüchtig. Eine lange Fahrt, sagten Sie.
Von woher kommen Sie denn?«
»Ich bin am späten Nachmittag von Zürich nach Genf geflogen. Dann fuhr ich mit einem Leihwagen zu diesem Hotel, das mir ein Freund wärmstens empfohlen hat.
Nach Dumonts Ermordung hielt ich es in Zürich einfach nicht mehr aus.«
Ganz schön frech, dachte Paula. Jetzt verstehe ich, warum dieses Luder für den Orden arbeitet. Aber mit hundertprozentiger Sicherheit läßt sich natürlich noch nicht sagen, ob dem tatsächlich so ist. Währenddessen hatte Simone eine etwas aufrechtere Haltung eingenommen. Dadurch klaffte der Schlitz ihres Kleids etwas stärker auf und enthüllte mehr von ihren spektakulären Beinen.
»Es wundert mich nur, daß Sie nicht länger in einer so schönen Stadt wie Genf geblieben sind«, bemerkte Newman.
»Ich finde Genf tödlich langweilig«, erwiderte Simone. »Vor allem kann man es eigentlich gar nicht als eine Schweizer Stadt bezeichnen. Es sind so viele ausländische Firmen dort ansässig, daß es von Fremden nur so wimmelt.« Sie spitzte die Lippen.
»Gerade aus meinem Mund muß sich das vielleicht etwas eigenartig anhören. Ich bin Französin, aus Paris.«
Immerhin ist sie so clever, dachte Tweed, immer die gleiche Geschichte zu erzählen, was ihre persönliche Vergangenheit angeht. Er hielt sich bewußt im Hintergrund und stellte fest, daß sie sich mit allen anderen unterhielt, nur nicht mit ihm. Ja, dachte er noch einmal, sie ist wirklich clever. Vor dieser Frau muß man sich in acht nehmen.
»Die Welt wird immer verrückter«, fuhr Simone fort. »Tag für Tag wird jemand erschossen. Man braucht nur in die Zeitung zu sehen.«
»Oft mit einer Luger«, bemerkte Marler beiläufig.
»Was ist eine Luger?« fragte Simone scheinheilig.
»Eine automatische Pistole, ein deutsches Modell. Kaliber neun Millimeter. Das Magazin faßt acht Schuß – oder Kugeln. Sehr wirksam.«
»Klingt ja schrecklich. Sie scheinen sich gut mit Waffen auszukennen, Mr. Marler.«
»Ich? Ich träfe aus fünf Metern Entfernung nicht mal ein Scheunentor.«
Paula lächelte in sich hinein. Simone konnte nicht ahnen, daß sie den besten Schützen Westeuropas vor sich hatte. In gewisser Hinsicht war Paula auch fasziniert von Simone.
Sie war schon einer ganzen Reihe von wagemutigen und extrem selbstbewußten Frauen begegnet, aber Simone Carnot war eine Klasse für sich. Sie hatte sich mit unübertroffener Gelassenheit und Nonchalance in die Höhle des Löwen gewagt.
»Wie lange beabsichtigen Sie hierzubleiben?« erkundigte sich Marler.
»So lange es mir hier gefällt. Vielleicht könnten wir ja morgen in der Bar gemeinsam etwas trinken.«
»Heute, meinen Sie«, korrigierte Marler sie grinsend.
»Dann müssen wir ja nicht mehr lange warten.«
Paula zog sich innerlich alles zusammen. Simones Eroberungsdrang schienen keine Grenzen gesetzt. Bestand die Möglichkeit, daß Arnos Lodge sie in Dorset angeworben hatte? Oder war eher Willie ihr Fall? Sie konnte sich nicht recht entscheiden – vorausgesetzt, es war einer dieser beiden Männer gewesen, der sie für den Orden angeworben hatte. Vorausgesetzt, sie gehörte tatsächlich dieser verabscheuungswürdigen Organisation an.
»Es was mir ein Vergnügen, mich mit Ihnen zu unterhalten«, erklärte Simone. »Aber jetzt muß ich Sie leider doch bitten, mich zu entschuldigen. Sie wissen ja, mein Schönheitsschlaf. Es tut mir leid, wenn ich Sie während unserer Unterhaltung etwas habe links liegen lassen, Mr. Tweed.«
»Ich war vollauf damit zufrieden, Sie einfach zu betrachten, meine Teuerste. Und Sie brauchen sich wirklich keine Sorgen zu machen, Sie könnten nicht genügend Schlaf bekommen – Ihre Schönheit ist ohne jeden Makel.«
»Wie galant.« Simone stand auf und reichte jedem die Hand. Paula entging nicht, daß sie einen
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