Der Schwarze Orden
Schaltern verfügte. Loriot beugte sich vor und drückte auf einen Knopf. Aus dem Heck des Wagens wurde automatisch eine Antenne ausgefahren.
»Das«, erklärte er dazu, »ist eins der hochentwickeltsten Kommunikationssysteme der Welt. Es kann nicht abgehört werden.«
»Werden die Gespräche aufgezeichnet?«
Loriot betätigte einen Schalter. »Jetzt nicht mehr. Ich wollte das Aufnahmegerät gerade abschalten.«
»Ich werde mehrere Gespräche führen, und das wird einige Zeit dauern.«
»Tun Sie sich keinen Zwang an.«
Paula setzte sich auf die Terrasse und genoß die Aussicht. Sie wollte nachdenken und den Tod Monceaus verarbeiten. Sie empfand kein Bedauern. Was ihr viel mehr zusetzte, war die Erkenntnis, wie wenig gefehlt hatte, daß Tweed erschossen worden wäre. Es war um Sekundenbruchteile gegangen. Sie hätte den Sonnenstrahl, den das Zielfernrohr des Armalite reflektiert hatte, ohne weiteres übersehen können.
Tweed blieb etwa eine halbe Stunde weg. Als er schließlich auf ihren Tisch zu kam, entging ihr nicht, wie federnd sein Schritt plötzlich war. Kaum hatte er sich gesetzt, erschien ein Kellner.
»Ich glaube, ich nehme einen Kir royale«, sagte er.
»Für mich noch eine Tasse Kaffee«, sagte Paula, und an Tweed gewandt, fügte sie hinzu: »Seit wann trinken Sie um diese Zeit schon Alkohol?«
»Nur ausnahmsweise. Mir ist einfach nach Feiern zumute. Jetzt besteht endlich die Aussicht, daß die Leute, die wirklich zählen, umfassende Gegenmaßnahmen ergreifen.
Falls sie noch rechtzeitig etwas unternehmen.«
»Darf ich fragen, wer die Leute sind, die wirklich zählen?«
»Ich hatte ein längeres Gespräch mit dem Premierminister. Diesmal hat er mir zugehört.
Und er will mit dem französischen Präsidenten und dem deutschen Bundeskanzler sprechen.«
»Sie müssen aber sehr überzeugend gewesen sein.«
»Wenn er nur rasch etwas unternimmt. Und es nicht schon zu spät ist. Wir könnten beim Ausgang des Ganzen eine Schlüsselrolle einnehmen. Was ich vorhabe, ist sehr gefährlich. Und ich habe eine ziemlich krumme Tour gefahren.«
»Ich frage Sie erst gar nicht, was Sie sich da wieder haben einfallen lassen.«
»Ich würde es Ihnen auch nicht verraten. Heute nachmittag nehmen wir das Chateau d’Avignon unter die Lupe. Und irgendwann im Lauf des Tages wird uns Arnos Lodge besuchen kommen.«
»Arnos ist schon hier«, ertönte hinter ihnen eine rauhe Stimme. »Wenn man vom Teufel spricht…« sagte Tweed im Spaß.
Vitorelli genoß es, am Steuer des Alfa Romeo die kurvenreiche Straße auf den Mont Saleve hinaufzufahren. Mario neben ihm hielt sich an beiden Seiten des Sitzes fest und hätte am liebsten die Augen geschlossen, was er aber nicht wagte. Vitorelli, der einmal Rennfahrer gewesen war, fuhr gern schnell.
»Warum hast du auf einmal dieses Auto gekauft?« fragte Mario.
»Eine meiner üblichen spontanen Entscheidungen. Das müßtest du doch inzwischen kennen. Du hast doch nicht etwa Angst?«
»Keine Spur«, log Mario.
Er wußte, wenn er seine Angst zugäbe, würde Vitorelli noch fester aufs Gaspedal steigen. Nicht aus Grausamkeit, sondern weil er anderen gern zu einem gewissen Nervenkitzel verhalf. Bevor er seine Verlobte kennengelernt hatte, hatte er viele schöne Frauen herumgekriegt, indem er sie in einem seiner zahlreichen teuren Gefährte auf eine rasante Ausfahrt mitgenommen hatte. Er hatte festgestel t, daß sie das extrem gefügig machte.
»Ich verstehe immer noch nicht ganz, warum wir uns eigentlich mit Tweed treffen«, sagte Mario.
»Ich bin mir ganz sicher, daß der alte Fuchs seiner Beute dicht auf den Fersen ist. Und ich will dabei sein, wenn er zuschlägt.«
»Sie kommen früh – darauf war ich gar nicht vorbereitet«, sagte Tweed, als er Lodge aufforderte, sich zu ihnen zu setzen.
Paula beobachtete, wie Arnos sich auf einen Stuhl niederließ. Er trug einen schicken cremefarbenen Leinenanzug, ein Hemd in der gleichen Farbe und eine Krawatte mit einem wilden Blumenmuster. Sein kantiger Kopf wirkte noch größer als sonst, und er musterte Paula hinter seiner eckigen Brille hervor, als versuchte er, ihre Gedanken zu lesen. Doch als er lächelte, fühlte sie sich von seinem dynamischen Wesen sofort angezogen. Der ungeheuer wache Verstand, der aus diesen Augen sprach, hatte etwas Hypnotisches.
»Was möchten Sie gerne trinken?« fragte Tweed, als ein Kellner an ihren Tisch kam.
»Einen doppelten Scotch. Ich habe Newman vorhin im Foyer gesehen, und ich nehme mal an, er
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