Der Schwarze Orden
Rezeption stehen. Er bedachte das Mädchen hinter dem Schalter mit einem breiten Lächeln.
»Ich hatte eigentlich gehofft, meinen alten Freund Arnos Lodge hier anzutreffen.«
»Mr. Lodge ist überraschend abgereist. Möchten Sie ihm eine Nachricht hinterlassen, falls er noch einmal zurückkommt?«
»Er kommt nicht zurück.«
Nachdem er nun Gewißheit hatte, daß Tweed ihm die Wahrheit gesagt hatte, ging Vitorelli nach draußen. Wäre seine Frage nach Arnos Lodge auf Unverständnis gestoßen, hätte er sich nach Captain Wellesley Carrington erkundigt. Mario wartete in einem Wagen, den sie sich am Nachmittag von einem Kontaktmann geliehen hatten.
»Mario«, wandte sich Vitorelli an seinen Begleiter. »Tweed reist demnächst aus dem Hotel ab – behauptet er zumindest. Ich fahre zum Genfer Flughafen zurück, wo unser Hubschrauber steht. Du legst dich hier irgendwo, wo niemand dich sieht, auf die Lauer, und wenn du Tweed wegfahren siehst, folgst du ihm.«
»Wo niemand mich sieht?« fragte Mario ungehalten.
»Du wirst schon einen geeigneten Platz finden.«
Vitorelli setzte sich ans Steuer seines Alfa Romeo, den er hinter einem großen Lieferwagen geparkt hatte, und fuhr mit laut aufheulendem Motor davon.
Er bekam nicht mit, daß Tweed hinter einer der offenen Terrassentüren stand und ihn beobachtete. Tweed fiel ein Stein vom Herzen, als der Italiener weggefahren war.
Emilio Vitorelli war der letzte, den er in den nächsten vierundzwanzig Stunden in seiner Nähe haben wollte.
Auf der Rückfahrt von Genf hielt Marler mit seinem Wagen ein paar hundert Meter vor dem Chateau d’Avignon an und half Butler, das Motorrad vom Dachgepäckträger des Wagens zu heben. Dann schob Butler die Maschine auf einem Forstweg ein Stück in den Wald hinein und versteckte sie unter einer hohen Fichte im Unterholz.
Nachdem er zum Wagen zurückgekehrt und neben Marler eingestiegen war, fuhr dieser weiter. Als sie am Chateau d’Avignon vorbeikamen, stellte Butler erleichtert fest, daß das Tor noch offen war. Marler hielt hinter der nächsten Kurve an und ließ Butler aussteigen.
»Und nicht vergessen«, schärfte er Butler noch einmal ein. »Fünf Minuten, nachdem der Zeitzünder aktiviert wird, geht die Bombe hoch. Alles Gute.«
»Vielleicht sollte ich vorsichtshalber auf die Uhr sehen«, erwiderte Butler. »Bis bald.«
Er wartete eine Weile, damit niemand im Chateau d’Avignon, der den Wagen vorbeifahren gehört hatte, ihn mit diesem in Verbindung brachte. Dann hängte er sich den Beutel mit der Bombe über die Schulter und schlenderte zum Hotel zurück.
Als er die Treppe hinaufging, kam Big Ben auf ihn zu.
»Sie waren aber lange weg.«
»Ich habe eine Wanderung gemacht.«
»Ja, sicher. Das Abendessen wird bereits aufgetragen.«
»Sie werden mir wohl nicht dabei Gesellschaft leisten, hm?«
Bevor Big Ben etwas erwidern konnte, ging Butler an ihm vorbei und auf sein Zimmer.
Er hatte den Schlüssel in der Tasche behalten. Er schloß von innen wieder ab und ging zu seinem Koffer. Er vergewisserte sich, ob das Haar, das er daran angebracht hatte, bevor er den Koffer abgeschlossen hatte, noch an Ort und Stelle war. Es war weg. Auch sein Schlüssel ließ sich nicht mehr so mühelos im Schloß drehen wie sonst. Es gab also im Hotel jemanden, der sich an anderer Leute Schlösser zu schaffen machte.
Er ging zu dem hohen alten Schrank, in dem er seine Kleider hatte, und fuhr mit dem Finger über den Rand des obersten Bordes. Er war voll Staub. Niemand hatte daran gedacht, dort nachzusehen.
Er nahm die runde Bombe, die etwa die Größe eines Desserttellers hatte, aus dem Umhängebeutel. Sie war in kräftiges blaues Papier gewickelt. Der Zeitzünder und verschiedene andere Teile waren getrennt in Seidenpapier verpackt. Er riß sich zwei Kopfhaare aus, steckte eines in jedes Päckchen und legte alles auf das oberste Bord.
»Dann sieh mal, ob du das findest, Freundchen«, murmelte er leise.
Als er sich fürs Abendessen herrichtete, dachte er über das Kommende nach. Sein Auftrag war nicht ganz ungefährlich. Er mußte, ganz auf sich gestellt, auf unbestimmte Zeit in diesem Hotel bleiben, in dem es von zwielichtigen Typen wimmelte. So lange, bis Tweed ihm telefonisch das Codewort durchgab.
Aber an sich machte das Butler nichts aus. Das gehörte zu seinem Job. Er bedauerte nur, daß er das Feuerwerk verpassen würde, das Tweed vermutlich in Ouchy veranstalten würde. So wie er Tweed kannte, wurde es jetzt ernst. In Ouchy würde es
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