Der Schwarze Orden
Wasserfläche hatte die Form eines Halbmonds. Und wieder befand sich in ihrer Mitte eine Insel. Wie der Teich hatte auch sie die Form eines Halbmonds. Der seltsam gedrungene, aus großen unregelmäßig geformten Steinblöcken errichtete Bau, der darauf stand, erinnerte Tweed an Abbildungen alter assyrischer Monumente. Besonders eigenartig fand er eine große, an einem Felsblock befestigte Steintafel, in die eine türkische Flagge eingemeißelt war.
»Alles nur zu meinem Vergnügen«, sagte Willie, der neben seinen zwei Besuchern stehengeblieben war.
»Mir ist aufgefallen, daß es in jedem Teich einen im Schilf versteckten Anlegesteg gibt«, sagte Tweed langsam. »Und an jedem ist ein kleines Boot mit einem Außenbordmotor vertäut – so kommen Sie vermutlich auf die Inseln.«
Willies Verhalten änderte sich abrupt. Seine Miene wurde steinern, sein Ton schroff.
»Wir sollten vielleicht wieder ins Haus zurückkehren. Es wird langsam kühl.«
Damit begann er, rasch in die Richtung zurückzugehen, aus der sie gekommen waren, und er blieb nicht eher wieder stehen, als bis sie im Salon angelangt waren. Er trat an die Hausbar, schenkte sich zu trinken nach und wandte sich seinen Gästen zu.
»Noch einen zum Abschied?«
»Ich nicht«, winkte Newman ab.
»Ich passe ebenfalls«, sagte Tweed. »Vielen Dank für die freundliche Aufnahme, Willie. Wir sollten uns wieder öfter mal treffen.«
»Gute Idee«, erwiderte Willie ohne Begeisterung.
Nachdem sie sich verabschiedet hatten, gingen Tweed und Newman zu ihrem Wagen.
Keiner von beiden sagte ein Wort, als sie die Einfahrt entlangfuhren. Erst kurz vor dem Tor brach Tweed das Schweigen.
»Fahren Sie rechts die Straße weiter. Halten Sie Ausschau nach dem Feldweg, der zu Arnos Lodges Haus führt.« Er kurbelte das Fenster nach unten. »Mir ist nach etwas frischer Luft.«
»
Dovecote Manor
«, bemerkte Newman. »Einen unpassenderen Namen könnte man sich wohl kaum denken. Mir kam das Haus eher wie eine Fassade vor. Einmal draußen im Garten, sah mir das Ganze sehr nach wüsten Orgien aus.«
»Das würde ich als etwas übertrieben bezeichnen«, entgegnete Tweed in verträumtem Ton. »Aber Willie weiß, wie man Besucher aus dem Osten beeindruckt. Sie werden sehen, Arnos Lodge ist ganz anders.«
5
Noch am selben Tag, an dem Butler und Nield von Monica Tweeds Befehl übermittelt bekamen, zu Paulas und Marlers Unterstützung nach Wien zu fliegen, starteten sie von Heathrow mit einer Maschine nach Zürich. In Zürich hatten sie Glück – sie erreichten gerade noch die Austrian Airlines-Maschine nach Wien.
»Hoffentlich erwischen wir die beiden überhaupt«, sagte Butler.
»Wir kommen schon rechtzeitig in Wien an«, erwiderte Nield, der neben seinem Partner saß. »Keine Sorge.«
Die zwei Männer waren, was Erscheinung und Temperament anging, sehr unterschiedlich. Harry Butler, Mitte vierzig, war untersetzt und stämmig und machte sich immer gleich wegen allem Sorgen. Er legte wenig Wert auf sein Äußeres und trug eine Windjacke und eine graue Hose mit Bügelfalte. Seinen Rucksack hatte er neben dem Nields im Gepäckfach über ihnen verstaut. Nach außen hin sahen sie wie Touristen aus.
Pete Nield war schlank und hatte einen sorgfältig gestutzten Schnurrbart. Er war Ende dreißig, achtete sehr auf sein Äußeres und kam bei den Frauen gut an. Doch diesmal trug er, seiner Rolle entsprechend, einen schwarzen Adidas-Trainingsanzug. Er sah wesentlich smarter aus als sein Partner.
»Ich finde, wir sollten erst ins Hotel Sacher fahren, bevor wir uns auf den Weg in dieses komische Burgenland machen«, schlug der stets vorausschauende Butler vor.
»Einverstanden«, sagte Nield. »Ich hoffe ja nach wie vor, daß sie aus irgendeinem Grund noch mal im Sacher Zwischenstation gemacht haben, bevor sie zu ihrer Fahrt ins Ungewisse aufgebrochen sind. Monica hat am Flughafen Schwechat bereits einen Mietwagen für uns reservieren lassen.«
Nield sah auf seine Uhr. Obwohl nach außen hin wie immer ruhig und beherrscht, machte auch er sich Sorgen. Der Versuch, Paula zu entführen, sowie der brutale Gefängnisausbruch ließen keinen Zweifel daran, daß sie es mit einer ziemlich üblen Bande zu tun hatten.
Er wünschte sich, das Flugzeug würde schneller fliegen, aber er zwang sich zur Ruhe.
Als die Maschine zu ihrem langen Landeanflug ansetzte, behielt er die Finger weiter überkreuzt.
Wie es der Zufall wollte, waren Paula und Marler in Wien aufgehalten worden. Nach Verlassen des
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