Der Schwarze Orden
Tweed verabschiedet hatte, begab sich Newman in die Bar des Hotels und blickte sich um. Inzwischen war er fest davon überzeugt, daß sich der Feind in unmittelbarer Nähe befand. Simone Carnot, die ihn lauernd beobachtete, strich ihre üppige rote Mähne glatt.
Nachdem sie Dumont tot und mit einem häßlichen Loch im Hinterkopf auf der Couch liegengelassen und alles »arrangiert« hatte, wie Hassan es nannte (sprich, die schlaffe Hand des Toten um die Luger gelegt), hätte sie Zürich normalerweise mit der ersten Maschine verlassen. Allerdings hatte Hassan auch in ihrem Fall eine eigenmächtige Entscheidung getroffen.
Als Simone ihn angerufen hatte, um ihm in verschlüsselter Form die erfolgreiche Durchführung ihres Auftrags zu melden, war Hassan eine Idee gekommen. Er befahl ihr, noch mindestens eine Woche in Zürich zu bleiben. Des weiteren teilte er ihr mit, das nächste Opfer sei ein gewisser Tweed, und gab ihr eine Personenbeschreibung des Mannes. Falls bis zum Wochenende seine Ermordung nicht in den Medien gemeldete würde, sollte sie sich umgehend an seine Eliminierung machen.
»Du bekommst das übliche Honorar«, hatte er ihr zugesichert. »Außerdem möchte ich, daß du mich anrufst, wenn du ihn ausfindig gemacht hast…«
Weitere einhunderttausend Dollar. Für soviel Geld sagte Simone ohne Umschweife zu.
Sie konnte nicht ahnen, daß sie und Hassan damit gegen ein Grundprinzip des Engländers verstießen: Nach einem Anschlag hatte die Täterin die Stadt, in der sie ihn verübt hatte, unverzüglich zu verlassen.
Als Newman sie ansah, senkte sie rasch den Blick. Da sie regelmäßig Zeitung las, hatte sie ihn sofort erkannt. Er war eine extrem auffallende Erscheinung, und ihr wurde sofort klar, daß sie jetzt möglichst keine Aufmerksamkeit erregen durfte. Sie hatte keine Ahnung, wer den Auftrag erhalten hatte, das neue Opfer zu übernehmen.
Simone Carnot hatte in Paris eine PR-Agentur für Models geleitet, als sie aufgrund ihres Aussehens und ihrer Liebe zum Geld rekrutiert worden war. Zudem gehörte sie zu dem Typ moderne Frau, der Männer als Räuber betrachtete, die es verdient hatten, nach Strich und Faden ausgebeutet zu werden. Diese Einstellung kam ihr bei ihrer Aufgabe ebenfalls zugute.
Als sie merkte, daß Newman auf sie zukam, änderte sie ihre Taktik. Wenn sie ihn gezielt ignorierte, erregte sie nur mehr Aufmerksamkeit. Es war ohne weiteres möglich, daß Newman, der so viele bedeutende Persönlichkeiten kannte, auch diesen Tweed kannte, der eindeutig sehr wichtig sein mußte.
»Entschuldigen Sie, wenn ich so direkt bin«, begann Newman, als sie zu ihm aufblickte, »aber ich langweile mich und würde mich gern mit jemandem unterhalten.
Und Sie sehen alles andere als langweilig aus. Was darf ich Ihnen zu trinken bestellen?«
»Einen Kir royale«, antwortete sie sofort.
Er bestellte für sie einen Kir und für sich einen Scotch. Mit ihrem glänzenden, flammend roten Haar war sie sehr attraktiv.
Der Grund, weshalb er ihre Gesellschaft suchte, war keineswegs der, den er ihr genannt hatte. Gewiß, es gab auch noch andere rothaarige Frauen, aber ihr Aussehen paßte genau zu der Beschreibung, die ihnen Horn von der Frau gegeben hatte, die Dumont ermordet hatte. Newman hatte ausgiebig über die Sache nachgedacht, und dabei war ihm klargeworden, daß die Mörderin extrem starke Nerven gehabt haben mußte. Das naheliegendste war an sich, daß sie versuchen würde, die Stadt auf schnellstem Weg zu verlassen. Aber eine besonders kaltblütige Frau könnte es für sicherer erachtet haben, noch ein paar Tage am Ort ihrer Tat zu bleiben.
»Ich bin Bob Newman«, stellte er sich vor, als sie mit ihren Gläsern anstießen, die der Kellner im Handumdrehen gebracht hatte.
»Simone Carnot. Was machen Sie beruflich, Mr. Newman – wenn Sie nicht gerade fremde Damen ansprechen?«
Sehr direkt, dachte er – was ebenfalls in das Bild paßte, das er sich von der Mörderin gemacht hatte. Nicht, daß die Wahrscheinlichkeit, daß er die richtige Frau vor sich hatte, sehr hoch war.
»Ich ziehe über alle möglichen Leute Erkundigungen ein«, erklärte er provokativ.
»Ziehen Sie dann auch über mich Erkundigungen ein? Wobei ich mich allerdings fragen müßte, ob Sie Gründe dafür haben.«
Jedes Wort, das sie sagte, paßte zu einer Frau, die kaltblütig genug war, um einem Mann aus nächster Nähe in den Kopf zu schießen. Obwohl – daß er die Mörderin so leicht finden sollte, war einfach zu
Weitere Kostenlose Bücher