Der Schwarze Orden
gewesen. Der Feind suchte nach ihr – wahrscheinlich die Leute, vor denen Roka sie in Wien gerettet hatte.
Sie zwang sich, ganz langsam zu gehen, sich ihre Nervosität nicht anmerken zu lassen.
Ein Stück weiter erblickte sie ein großes Kaufhaus. Sie betrat es und stellte erleichtert fest, daß es dort von Menschen wimmelte, die vor der Hitze Zuflucht suchten. Sie überlegte fieberhaft. Sie hatte in der Vergangenheit schon reichlich Gelegenheit gehabt, Erfahrungen zu sammeln, wie man sich von Männern absetzte, die man vorher ordentlich ausgenommen hatte. Als sie sich noch einmal prüfend nach dem kleinen, dicken Mann umsah, beschloß sie, ihm den Spitznamen Teddybär zu geben.
Da er anscheinend Angst hatte, sie aus den Augen zu verlieren, blieb er in der Nähe der Eingangstür stehen. Sie kaufte sich einen billigen Koffer. Dann ging sie von einer Abteilung zur nächsten, kaufte wahllos billige Kleider, irgend etwas, um den Koffer zu füllen.
Als Tina mit ihren Einkäufen fertig war, schlenderte sie zum Ausgang zurück.
Teddybär wartete auf der anderen Straßenseite. Sie trat hinaus auf den Bürgersteig und winkte sogleich einem der zahlreichen Taxis.
»Zum Bahnhof Cornavin bitte«, rief sie laut.
Als ihr Taxi losfuhr, nahm Mario Parcelli sich ein anderes und erteilte dem Fahrer die gleiche Anweisung. Tina blickte sich ganz bewußt nicht um, doch im Rückspiegel sah sie, daß Teddybärs Taxi ihrem folgte. Sie lächelte.
Am Bahnhof angekommen, bezahlte sie den Fahrer und ging mit ihrem Koffer in die Bahnhofshalle. Vor dem Fahrkartenschalter hatte sich eine Schlange gebildet.
Teddybär wartete einen Augenblick, bevor er sich etwas weiter hinten in der Schlange einreihte. Wahrscheinlich hielt er bewußt Abstand. Als sie an die Reihe kam, sprach sie wieder betont laut und deutlich.
»Eine einfache Fahrkarte nach Zürich, bitte. Danke. Wann geht der nächste Schnellzug?«
»In etwa fünf Minuten.«
Sie eilte eine Rampe hinab und stieg die Treppe zum
quai
hoch – zum Bahnsteig, von dem der Schnellzug abfuhr. Nachdem sie sich bei einem Bahnbeamten erkundigt hatte, wo sich die Spitze des Zuges befinden würde, ging sie rasch zu der angegebenen Stelle. Sie stellte den Koffer ab, nahm ein teures Spitzentaschentuch heraus und wischte sich den Schweiß von der Stirn.
Teddybär war in einiger Entfernung, nicht weit vom Zugende, stehengeblieben. Als der lange Schnellzug mit den blitzenden Waggons einfuhr, nahm sie ihren Koffer.
Nachdem sie einen Waggon an der Spitze des Zuges, gegenüber einer Säule, bestiegen hatte, stellte sie den Koffer in der Nähe der Tür auf dem Gang ab.
Es war ein Vorteil der Schweizer Bahn, daß die Züge auf die Minute pünktlich waren.
Angespannt beobachtete sie die Zeiger der großen Bahnhofsuhr, und einmal riskierte sie einen Blick aus dem Fenster. Von Teddybär war unter den in letzter Minute eintreffenden Fahrgästen nichts zu sehen. Fünfzehn Sekunden vor der Abfahrt des Zuges stieg sie mit ihrem Koffer in der Hand wieder aus und stellte sich hinter die Säule.
Prompt gingen die automatischen Türen zu, und der Zug verließ den Bahnhof. Als sie ihm einen letzten Blick hinterherwarf, kicherte sie.
Mario, der sich vom Ende des Zuges zur Spitze vorarbeitete, hatte keine leichte Aufgabe. Kurz vor Abfahrt des Zuges waren noch so viele Fahrgäste eingestiegen, daß er nur mühsam von Abteil zu Abteil, von Waggon zu Waggon, vorankam.
Er hatte es erst bis zur Mitte des Zuges geschafft, als der Zug in Lausanne anhielt. Für den Fall, daß Tina Langley schon früher ausstieg, steckte er den Kopf aus dem Fenster.
Nichts von ihr zu sehen. Der Zug setzte sich wieder in Bewegung. Der nächste Halt, Bern, lag ein gutes Stück weiter nördlich. Seine Füße schmerzten. Wegen seiner Bankiers-Verkleidung trug er elegante Schuhe, die seine Zehen zusammendrückten.
Lange vor der Ankunft in Bern hatte er den ganzen Zug durchsucht. Er setzte sich in ein leeres Abteil und kaufte sich drei Becher Kaffee und zwei Flaschen Mineralwasser, als es ihm endlich zu dämmern begann.
Erschöpft stieg er in Bern aus, ließ sich auf dem Bahnsteig auf eine Bank sinken und wartete auf den nächsten Schnellzug in die Gegenrichtung. Als ihm einfiel, daß er nur eine einfache Fahrkarte gelöst hatte, machte er sich widerwillig auf den beschwerlichen Weg zum Fahrkartenschalter und kaufte eine Fahrkarte zurück nach Genf.
Die Hitze in der Berner Bahnhofshalle war nahezu unerträglich. Nachdem er eine Fahrkarte
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