Der Schwarze Orden
gekauft hatte, setzte er sich auf eine Bank, um auf den Zug zu warten. Sein Hemd klebte an seinem Rücken, sein Kragen war feucht und formlos. Er spürte, wie ihm der Schweiß an seinen Seiten hinunterlief. Er hätte alles darum gegeben, seine Schuhe ausziehen zu können, aber er wagte es nicht – sonst hätte er seine Füße nicht wieder hineinbekommen. Aber Mario Parcelli war ein Mann, der sich nicht so leicht unterkriegen ließ.
Er war sicher, Tina Langley war noch in Genf – und er würde sie finden.
Als der Zug in den Bahnhof einfuhr, wurde deutlich, daß die Hitze den Leuten schwer zu schaffen machte. Normalerweise korrekte Menschen schoben und drängelten, um sich einen Platz im Zug zu sichern. Mario wurde von der Menschenmenge förmlich in den Waggon gedrückt und mußte selbst kräftig von seinen El bogen Gebrauch machen, um beim Einsteigen nicht über die Stufe zu stolpern. Er blieb lieber im Gang stehen, als sich mit anderen Fahrgästen in ein Abteil zu zwängen.
Als erstes würde er in Genf ein Schuhgeschäft aufsuchen. Und dann – nach einem kurzen Imbiß – würde er sich erneut auf die Suche nach Tina Langley machen.
Nachdem Tina kalt geduscht hatte, ging es ihr gleich wesentlich besser. Sie schlüpfte in frische Sachen. Sie war mit dem Taxi ins Hotel des Bergues zurückgefahren. Anstatt jedoch sofort auf ihr Zimmer zu gehen, hatte sie am Flußufer einen Spaziergang gemacht. Die Hitze hatte die meisten Menschen in die Häuser getrieben. An einer verlassenen Stelle hatte sie den überflüssigen Koffer in die Rhone geworfen.
Nachdem sie sich geschminkt hatte, begutachtete sie sich sorgfältig im Spiegel. Sie hatte beschlossen, Anton unter der Nummer, die er ihr gegeben hatte, anzurufen, bevor Hassan sich bei ihr meldete. Sie wußte, Anton würde sie zum Essen einladen, und sie würde annehmen – aber in einem Restaurant, nicht in seiner Wohnung. Sie schmiedete bereits Pläne, was sie tun würde, wenn genügend Wein geflossen war.
Das Ganze ist mir schrecklich peinlich, Anton, aber die Reiseschecks, die mir mit Federal Express hätten zugeschickt werden sollen, sind immer noch nicht eingetroffen.
Deshalb bin ich im Moment sehr knapp bei Kasse. Glaubst du, du könntest mir zwanzigtausend Franken leihen? Sobald die Schecks eingetroffen sind, bringe ich dir das Geld in deine Wohnung…
Sie würde ihn mit ihrem ganz speziellen Lächeln ansehen. Er war verrückt nach ihr.
Man muß das Eisen schmieden, solange es heiß ist… Das Telefon klingelte. Das war ganz sicher Anton. Sie ließ es mehrere Male läuten, bevor sie abnahm.
Es war Hassan.
»Ich muß unbedingt weg von hier…« begann sie.
»Du bleibst, wo du bist. Du verläßt das Hotel auf keinen Fall.«
»Gewöhne dir gefälligst einen anderen Ton an, wenn du mit mir sprichst!«
»Langsam habe ich genug von deiner Unverschämtheit. Unterbrich mich nicht noch einmal. Du wirst jetzt schön zuhören. Du bist eine hochbezahlte Angestellte der Firma.
Wir können jederzeit Ersatz für dich finden.«
Sie sog den Atem ein. Hassan war kaum mehr wiederzuerkennen. Sein Ton war forsch, kompromißlos. Von seiner glatten, öligen Art war nichts mehr zu spüren.
»Du wirst bald einen neuen Auftrag bekommen. Alles, was du darüber wissen mußt, wirst du morgen unter folgender Adresse von einem Mann erfahren… Er weiß, wie du aussiehst. Das ist alles.«
Hinweise? Sie wußte, er hatte ihr gesagt, wie sie sich eine Luger und Munition beschaffen könnte. Sie wollte bereits auflegen, als er hinzufügte:
»Bis auf weiteres bin ich unter folgender Nummer zu erreichen…«
Danach legte sie endlich auf. Nachdem sie eine Weile nachgedacht hatte, rief sie an der Rezeption an und fragte, zu welcher Stadt die Vorwahl gehörte, die Hassan ihr gegeben hatte.
»Zürich«, antwortete der Portier sofort.
Tweed hatte zehn Minuten stumm in seinem Zimmer im Baur au Lac gesessen. Das wußte Paula deshalb so genau, weil sie unauffällig auf die Uhr gesehen hatte. Dann brach er plötzlich sein Schweigen.
»Nur um mich noch mal zu vergewissern, daß ich mich nicht täusche: Sie haben die Mitgliederliste des
Institut de la Defense.
Der nächste auf der Liste bin ich. Dann kommt Arnos Lodge. Wer kommt nach Lodge?«
»Christopher Kane. Warum?«
»Bisher sind wir davon ausgegangen, daß der Feind die Namen auf dieser Liste der Reihe nach abhakt. Dabei haben wir nie die Möglichkeit in Betracht gezogen, daß er ohne weiteres auch einmal ein oder zwei Namen überspringen
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