Der schwarze Prinz
Svenya hielt ihn davon ab und umarmte ihn herzlich. Auch Hagen wollte von Hoheit nichts wissen und drückte ihn wie einen Sohn. Raik schoss die Röte ins Gesicht, und er lächelte ... völlig überwältigt. Er machte eine ausladende Geste mit den Armen, und plötzlich hielt jeder im Raum Anwesende einen goldenen Pokal mit perlendem Wein in den Händen.
Raik hob seinen in die Höhe und rief: »Auf den König und die Königin!«
Ohne Zögern stimmten die Elben ein: »Auf den König und die Königin!«
Und so wurde Svenya Hauk, das Waisenkind, die einstmals obdachlose Straßengöre, die Hüterin Midgards, Bezwingerin des Leviathans und Töterin des Drachen Oegis, Königin über das Volk der Lichtelben ... Königin von Elbenthal.
Der Jubel und das Entgegennehmen aller Gratulationen dauerte über eine Stunde. Schließlich aber hob Hagen die Arme: »Ich habe natürlich auch noch ein Geschenk für die Königin!«
Neuer Jubel brach aus.
Hagen gab Yrr einen Wink, und sie sprach in ihr Ear-Set.
Gleich darauf betraten vier schwer bewaffnete Krieger die Halle - mit Laurin in ihrer Mitte. Der Schwarze Prinz war sichtlich angeschlagen. Er hatte die Schlacht und seine Festung Aarhain verloren und die vergangene Nacht isoliert von den anderen Gefangenen im Kerker zugebracht.
Hagen rief: »Ich präsentiere euch: unseren Erzfeind. Den Widersacher. Zu lange hat er uns und die Welt bedroht, und mit dem heutigen Beginn einer neuen Ära für uns soll das ein Ende haben ... soll er sein Ende erfahren!«
Die Halle tobte vor Beifall.
»Was hast du vor?«, fragte Svenya Hagen leise flüsternd.
Statt nur an sie richtete er die Antwort an alle. »Sein Leben wird heute enden, so wie gestern das Leben unseres Vaters enden musste - und ein für alle Mal werden wir frei sein von dem Bösen, das er seit Jahrtausenden über uns und die Unseren bringt.«
Von irgendwoher brachte jemand einen Richtblock, und die vier Krieger zwangen Laurin, sich darüberzuknien.
Sehr zu Svenyas Verwunderung grinste der Schwarze Prinz dabei - er schien nach wie vor alles nur für ein Spiel zu halten.
Yrr brachte ihrem Vater seine Doppelblattaxt. Doch ehe er zu dem Richtblock hinschreiten konnte, legte Svenya ihre Hand auf seine.
»Tu es nicht«, flüsterte sie.
Hagen schaute sie erstaunt an.
»Wenn du mir wirklich ein Hochzeitsgeschenk machen willst, lass Gnade walten und verbanne ihn durch das Tor zurück nach Alfheim.«
Hagen sah sie lange und ernst an, und sie befürchtete schon, dass gleich ihr alter Streit wieder auflodern würde ... über gerechte Strafe und die Gefahren zu großer Milde. Stattdessen aber nickte er und gab Yrr die Axt zurück.
Er wandte sich an das Volk. »Meine geliebte Svenya hat mich gerade darauf aufmerksam gemacht, dass ich zu voreilig war. Wie in alten Zeiten wollte ich Laurins Leben nehmen - als Strafe für all seine Untaten ... ganz ohne Prozess und ohne Gnade. Doch wenn wir wirklich wollen, dass heute eine neue Ära anbricht - ein neues Zeitalter der Freude und des Glücks -, müssen wir lernen, Milde walten zu lassen. Milde, die keine Schwäche ist. Daher schlägt Svenya vor -und ich schließe mich diesem Vorschlag an -, dass wir Laurin, statt ihn hinzurichten, zurück nach Alfheim verbannen ... unter Androhung des Todes, sollte er jemals wieder hierher zurückkehren, um unseren gerade gewonnenen Frieden von Neuem zu stören. Lasst ihn und auch die anderen Gefangenen, die jetzt in unseren Kerkern schmoren, dort drüben Zeugen sein unserer Güte und Barmherzigkeit ... auf dass vielleicht in Zukunft - und mag sie noch so fern sein - die Kluft zwischen unseren Völkern geschlossen wird und unser ewiger Zwist versiegt ... und auch wir vielleicht irgendwann einmal wieder nach Hause gehen können.«
Svenya hätte beinahe wieder angefangen zu weinen - dieses Mal vor Rührung. Sie spürte, dass die in Hagen aufkeimende Fähigkeit zu Gnade und Vergebung ihm dabei helfen würde, das zu lösen, was er für seinen Fluch hielt.
»Stimmt ihr diesem Vorschlag zu?«, rief er in die Runde. Svenya erkannte, dass er nicht über die Köpfe all jener hinweg entscheiden wollte, die in der vergangenen Schlacht oder auch in früheren Kämpfen gegen Laurin und seine Horden Partner, Freunde, Brüder, Schwestern und Kinder verloren hatten. Aber die Zustimmung war einhellig. Sie alle sahen die Chance auf einen möglichen Frieden in der Zukunft ... waren voll der Hoffnung auf eine Rückkehr nach Alfheim.
»Richtet ihn wieder auf und bindet ihn
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