Der schwarze Prinz
seiner Gemahlin, der Jötunn Angrbodha.«
»Ihr meint Hel?«, fragte Svenya erschüttert. »D-die Göttin des Totenreiches?«
Hagen nickte grimmig. »Ebenjene. Irgendwie hat es sie hierher nach Midgard verschlagen.«
»Sie scheint die Fünf Schwerter des Schicksals zu suchen, um ein Portal in ihr Reich zu öffnen«, sagte Alberich. »Anders kann ich mir nicht erklären, wozu sie sie braucht.«
»Ein Portal direkt in die Hölle?«, fragte Svenya. »Aber das wäre Wahnsinn!«
»Und muss auf jeden Fall verhindert werden«, sagte Hagen. »Wenn es etwas Schlimmeres gibt als ein Tor nach dem von Dunkelelben besetzten Alfheim, dann eines nach Hel.«
»Die Toten würden ungehindert über die Erde wandern«, erklärte Alberich, »und alles Leben darauf vernichten.«
»Worauf warten wir dann noch?«, fragte Svenya. »Wir müssen Gram vor ihr erreichen!«
»Ja, das müssen wir«, gab Alberich ihr recht. »Aber du bist zu stark angeschlagen. Wir warten, bis Yrr und ihre Gruppe mit Raik aus Vineta zurück sind. Sie müsste in einer halben Stunde ankommen. Maximal in einer Dreiviertelstunde.«
»Ich bin fit«, behauptete Svenya, obwohl sie es nicht war. »Und wir können unmöglich so lange warten.«
»Sie hat recht, Vater. Ich werde mit ihr gehen.«
»Dein Platz ist hier, mein Sohn.«
»Wenn Hel im Spiel ist, ist mein Platz an Svenyas Seite«, entgegnete er mit ernster Entschlossenheit. »Ich werde sie ihr nicht noch einmal alleine gegenübertreten lassen. Yrr und Raik sollen sich an meiner Stelle um die Sicherung der Festung und notfalls auch ihre Verteidigung kümmern.«
Alberich seufzte, doch dann nickte er und ging zu den Tischen zurück. »Ich habe hier Tränke für euch. Für den Fall der Fälle. Eine Mixtur, die eure Kräfte steigert. Vor allem eure Widerstandskräfte. Nehmt sie aber erst, wenn Hel wirklich auftaucht - sie fordern einen hohen Zoll.«
Er überreichte ihnen zwei kleine Flaschen aus purem Gold, die von innen heraus zu glühen schienen.
Svenya nahm ihre entgegen und verstaute sie in einer Tasche ihres Gürtels. »Da wäre noch etwas«, sagte sie.
Hagen nickte. »Wir brauchen Waffen. Wir holen sie aus der Kammer meines Vaters.«
»Das meinte ich nicht«, sagte Svenya.
»Was dann?«
»Wieso hat Hel mich in Vineta nicht getötet, als sie die Möglichkeit dazu hatte?«, fragte Svenya. »Hätte sie mit der Schneide des Schwertes zugeschlagen, wäre es um mich geschehen gewesen.«
Alberich und Hagen sahen einander einen Moment lang schweigend an.
»Vielleicht hat sie in dir keine Bedrohung gesehen«, sagte Alberich schließlich.
Svenya empfand das als wenig befriedigend. »Die Töchter Räns hat sie getötet. Alle neun. Nein, da war noch etwas anderes: Sie schien mich von irgendwoher zu kennen ... und sie war überrascht, mich zu sehen.«
Alberich zuckte mit den Achseln. »Die Herrin über das Reich der Toten weiß vieles, was uns anderen Unsterblichen verborgen bleibt.«
Svenya konnte es nicht mit Sicherheit sagen, aber sie hatte das Gefühl, dass der König ihr etwas verheimlichte. Doch wie sie ihn kannte, hatte er dafür seine Gründe, und wenn das so war, würde es nichts helfen, nachzubohren. Obwohl Hagen so viel älter war als sie, glaubte Svenya ihn zu verstehen und seine Beweggründe in den meisten Fällen nachvollziehen zu können - bei König Alberich aber stand sie die meiste Zeit wie vor einem Buch mit sieben Siegeln. Sie mochte ihn und spürte, dass auch er große Zuneigung für sie hegte - aber ihn zu verstehen und das, was ihn antrieb, hatte sie schon lange aufgegeben. Es war wie verstehen zu wollen, wie ein Gott denkt, was er plant oder empfindet. Manchmal gewann Svenya den Eindruck, als hätte Alberich gar keine Gefühle und würde seine Entscheidungen strikt nach logischen Aspekten fällen - einer Logik, die aufgrund seines Wissens viel zu komplex war, als dass Svenya sich auch nur anmaßen würde, sie zu verstehen oder zu durchschauen; dann aber erlebte sie immer wieder Momente mit ihm oder zwischen ihm und seinem Sohn oder auch seiner Enkelin Yrr, die einfach nicht zuließen, ihm die Fähigkeit zu Gefühlen abzusprechen. In diesen Momenten war es dann gegenteiligerweise so, als würde er sich ausschließlich von seinen Empfindungen oder spontanen Eingebungen lenken lassen. Zu wissen, dass er älter war als die Götter selbst -zumindest, nach allem, was Svenya bekannt war, um einiges älter als die Götter des Nordens -, machte es mit Sicherheit nicht einfacher. Aber sie
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