Der schwarze Schattenjaeger
Patricia und Florian begannen sich zu streiten. Wegen mir. Dabei wollte ich gar nicht in Schutz genommen werden, sondern einfach nur meine Ruhe. War das so schwer zu verstehen? Die Tür zum Klassenzimmer öffnete sich und unsere Englischlehrerin kam herein. Ich lag noch immer am Boden und versuchte mich aufzurappeln, doch sie sah sofort, dass etwas nicht in Ordnung war. Der Tennisball neben mir und der zweite in den Händen der anderen aus meiner Klasse formten ein Bild, das Miss Fletcher sofort verstand. Zudem hielt ich mir noch die schmerzende Schulter.
„Das wird Konsequenzen haben!“, drohte Miss Fletcher Patricia und schickte mich zum Direktor. Aber da wollte ich gar nicht hin. Was sollte ich ihm auch schon erzählen? Dass man mich wieder schikanierte? Wieder demütigte? Das hatte ich ihm damals schon so oft gesagt. Wozu also alles wiederholen? Ich konnte es genauso gut auf Band sprechen und ihm als Kopie dalassen, sodass er sich das bei Gelegenheit anhören konnte. Während Miss Fletcher Patricia zurechtwies, packte ich meine Tasche und ging einfach. Ich wollte raus. Einfach raus aus der Schule. Fünf Jahre lagen noch vor mir, wie sollte ich diese nur aushalten?
Die wenigen Kilometer, die ich bis nach Hause laufen musste, waren schnell zurückgelegt. Es tat gut, durch den Schnee zu laufen. Die Kälte kühlte meine Schulter ein wenig. Zumindest bildete ich mir das ein. Die Tränen gefroren auf meinen Wangen, die von dem vielen Salz zu schmerzen begannen. Als ich unser Haus sah, bemerkte ich sofort die beiden Autos, die davor standen. Mom war zuhause? Irritiert sah ich auf meine Armbanduhr. Es war doch erst kurz vor 12.00 und sie müsste doch im Bookdelicious sein? Je näher ich unserem Haus kam, desto klarer erkannte ich die beiden Autos. Es war nicht nur das von Mom, sondern auch das von Tante Abby. Beide waren hier? War das Bookdelicious etwa geschlossen? Ich eilte die letzten Meter zur Haustür und kramte meinen Schlüssel aus der Hosentasche, bevor ich die Tür aufschloss. Aber ganz leise, da ich mich schließlich unerlaubt aus der Schule entfernt hatte und auch wissen wollte, was hier los war. Mom erzählte mir nie von ihren Sorgen und Ängsten, sondern spielte mir eine heile Welt vor. Sie nahm so viel auf sich, dass es mir immer gut ging und ich eine glückliche Kindheit verleben durfte. Wenn sie und Tante Abby also hier waren, während das Bookdelicious noch geöffnet hatte … dann war etwas Schlimmes passiert. Vorsichtig drehte ich den Schlüssel im Schloss herum und schlich mich in den Flur.
„Was soll ich nur machen, was nur?“, schluchzte Mom. Ihre Stimme kam aus der Küche.
„Es gibt sehr gute Heilungschancen. Du darfst jetzt nur nicht aufgeben“, antwortete Abby ihr mit beruhigender Stimme.
„Aber wie soll ich das ohne John nur schaffen? Wenn er wenigstens noch hier wäre … aber ohne ihn fehlt mir einfach die Kraft.“
„Ja, John ist tot. Adisson! Sieh mich an! Sieh mich an … Schwesterherz!“, flehte Tante Abby.
„Roger und ich sind für dich da und du musst jetzt für Thalis stark sein. Sie braucht dich. Du bist ihre Mom! Nur du! Hörst du?“ Tante Abbys Stimme klang zittrig und Mom weinte nur noch.
„Was ist, wenn ich es nicht schaffe? Was, wenn mich der Krebs besiegt? Was soll dann nur aus Thalis werden? Sie hat doch schon ihren Vater verloren!“
Als Mom dies sagte, erstarrte ich. Krebs? Mom hatte Krebs? Meine Gedanken fuhren Achterbahn. Krebs? War das nicht … das war doch tödlich? Das war diese Krankheit, die im Körper wucherte und alles vernichtet? Die die Zellen zerstört und … Krebs? Meine Mom sollte diese Krankheit haben? Mein Mund wurde ganz trocken und mein Herz schmerzte fürchterlich, sodass ich das Pochen in meiner Schulter kaum mehr wahrnahm. Ich legte beide Hände auf meinen Bauch, der laut zu gluckern begann. Übelkeit und Unverständnis füllen mich gänzlich aus. Krebs? Warum meine Mom? Reichte es nicht, dass Dad sterben musste? Dass er diesen schrecklichen Unfall gehabt hatte, als er zur Arbeit gefahren war? Warum wollte mir dieser verdammte Gott auch noch meine Mom stehlen? Das war doch nicht gerecht!!!
„Du musst sie nehmen … bitte!“, flehte Mom.
„Adisson! Hör zu, falls dir irgendwann, irgendetwas passieren sollte … du hast einen Unfall oder sonst etwas Schlimmes, Gott bewahre! Dann werde ich mich selbstverständlich um Thalis kümmern. Aber jetzt, in diesem Augenblick, musst du an dich denken. Damit du auch noch in zwanzig und auch
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