Der schwarze Schattenjaeger
in fünfzig Jahren für deine Tochter da sein kannst!“ Tante Abby klang unsicher. Log sie Mom etwa an? Was war nur dieses komische Gefühl, das mich übermannte, als ich Tante Abby sprechen hörte?
„Meine Tochter …“ Mom lachte kurz auf und schluchzte, bevor sie weitersprach: „Versprich es mir. Du bist die Einzige, die ich noch habe!“
„Ja …“, murmelte Tante Abby unsicher.
„Versprich es mir!“, schrie Mom dann.
„Ja!“, schrie Tante Abby zurück. Danach wurde es still. Ich hörte, wie beide leise weinten. Und ich? Ich stand noch immer an der Haustür und wagte es kaum zu atmen. Sie durften nicht wissen, dass ich sie belauscht hatte. Gerade als ich gehen wollte, sagte Mom noch etwas: „Thalis …“
Ich erschrak und zog meine Hand von der Türklinke zurück.
„Es ist ihretwegen, nicht wahr?“, sagte Mom traurig.
„So ein Unsinn!“, fuhr Tante Abby wütend dazwischen.
„Vorher war alles gut. Aber nachdem wir Thalis bekamen, ist so viel Schlimmes passiert! Es ist, als wäre es Johns und meine Strafe gewesen, weil wir Thalis ge…“
„Nein! Das darfst du dir nicht einreden! Das ist Unsinn und das weißt du auch!“
„Aber …“, schluchzte Mom verzweifelt.
„Kein Aber! Rede dir so etwas nicht ein und erwähne das nie … niemals Thalis gegenüber, hast du mich verstanden? Wirf ihr das nie vor … hörst du? Niemals!“
Ich lasse das Glas, das ich zuvor mit dem Geschirrhandtuch abgetrocknet habe, fallen. Es zerbricht auf dem Fußboden und die Scherben verteilen sich wie die vielen kleinen Erinnerungsfetzen, die mir plötzlich so klar und deutlich erscheinen, wie noch nie zuvor in meinem Leben.
Mom gab mir damals die Schuld daran, dass sie an Krebs erkrankte? Warum kommt mir diese Erinnerung erst jetzt wieder in den Sinn?!
„Ist hier alles in Ordnung?“, fragt Abby zögerlich, als sie in die Küche kommt.
„Mir ging nur ein Glas kaputt“, antworte ich knapp, während ich mich zu Boden knie und die großen Scherben aufsammle.
„Thalis, können wir nicht miteinander red…“
„Es ist schon gut. Wir stehen beide unter Stress. Da sagt man manchmal Dinge, die man nicht laut aussprechen wollte. Ich bin dir nicht böse.“ Nein, böse bin ich nicht. Nur zutiefst verletzt. Ich habe nie geahnt, dass Abby jeden Tag zu Mom fährt und mit ihr über mich redet. Wenn ich das doch nur geahnt hätte … Wie soll ich Mom so nur unter die Augen treten?
„Thalis …“ Abby klingt verzweifelt und ich spüre ihre Hände auf meinen Schultern.
„Es ist wirklich okay. Du hast so viel um die Ohren. Kimmy und das Bookdelicious …, dann noch eine todkranke Schwester und mich. Das ist viel auf einmal und ich verstehe das vollkommen. Also bitte fühle dich nicht schlecht deswegen.“ Ich muss es ihr hoch anrechnen, dass sie meiner Mom damals ausgeredet hat, dass sie meinetwegen Krebs bekam. Ist das überhaupt möglich? Kann man durch eine Geburt Krebs bekommen? In den letzten Jahren wurde ich so oft mit dem Thema konfrontiert, dass ich sicher etwas darüber gelesen hätte.
„Nein, es war falsch, so etwas zu sagen, dir solche Worte und Beschuldigungen an den Kopf zu werfen. Du bist noch so jung, du hast so viel durchgemacht und ich …“
„Es ist okay!“, sage ich energischer und drehe mich zu Abby herum.
„Ich will von dir nicht hören, dass ich das arme kleine Mädchen bin, das man beschützen muss. Ich muss nicht wie ein rohes Ei behandelt werden. Ich bin erwachsen. Volljährig! Ich kann meine eigenen Entscheidungen treffen und ich kann damit umgehen, wenn du mir deine Meinung sagst. Du hast ja recht. Natürlich … ich hätte Mom niemals belügen dürfen!“ Es ist an der Zeit, dass Abby endlich einsieht, dass ich kein Kind mehr bin.
„Ich verstehe dich doch! Du hast sie nur belogen oder eher … Du hast ihr etwas erzählt, damit sie sich keine Sorgen um dich macht. Das war klug von dir und vorausschauend!“ Abby versucht alles, damit ich ihr nicht mehr böse bin. Bin ich das überhaupt noch? Ich bin mir gar nicht sicher.
„Okay.“ Ich nicke zustimmend und lasse es zu, dass Abby mich umarmt. Doch ich schaffe es noch immer nicht, diese Umarmung zu erwidern. Zumindest das ist sie von mir gewohnt und bedarf keiner weiteren Erklärungen mehr von mir.
Es ist Mittagszeit im Bookdelicious und viele Bewohner von Pemberton nutzen das Mittagsangebot. Ich laufe zurück in die Küche, um Hühnersuppe und Brot für einige Gäste zu holen, als ich Onkel Roger und Logan sehe. Sie
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