Der schwarze Schleier
Überschreitungen.‹
Ich fasste eine sehr große Abneigung gegen den Mann, sobald ich ihn so erblickte.
Er hatte um einige unserer vorgedruckten Formulare gebeten, und der Schreiber reichte sie ihm und erklärte sie. Der Mann trug ein höfliches und freundliches Lächeln auf dem Gesicht, und seine Augen blickten lebhaft in die des Schreibers. (Ich habe schon sehr viel Unsinn darüber gehört, dass schlechte Menschen einem nicht in die Augen schauen. Vertrauen Sie dieser althergebrachten Idee nicht. Unehrlichkeit würde es jederzeit schaffen, die Ehrlichkeit in Grund und Boden zu starren, wenn sich dadurch irgendetwas erreichen ließe.)
Ich sah, dass er aus dem Augenwinkel bemerkt hatte, dass ich ihn anschaute. Sofort wandte er nun den Haarscheitel der Glastrennwand zu, als hätte er mit süßlichem Lächeln jetzt auch zu mir gesagt: ›Immer geradeaus, wenn’s recht ist. Weg vom Rasen!‹
Wenige Augenblicke später hatte er schon seinen Hut aufgesetzt und den Schirm genommen und war fort.
Ich rief den Schreiber zu mir ins Zimmer und fragte: »Wer war das?«
Er hatte die Visitenkarte des Herrn in der Hand: »Mr. Julius Slinkton, Middle Temple 1 .«
»Ein Barrister 2 , Mr. Adams?«
»Ich glaube nicht, Sir.«
»Ich hätte ihn für einen Geistlichen gehalten, wenn nicht das ›Reverend‹ 3 vor seinem Namen fehlte«, sagte ich.
»Wahrscheinlich hat sein Aussehen das bewirkt«, erwiderte Mr. Adams, »denn er studiert Theologie und will Priester werden.«
Ich hätte erwähnen sollen, dass er ein feines weißes Halstuch und überhaupt feine Leinenwäsche trug.
»Was wollte er, Mr. Adams?«
»Nur ein Antragsformular, Sir, und ein Referenz-Formular.«
»Hat ihn jemand hierher empfohlen? Hat er das gesagt?«
»Ja, er hat gesagt, dass einer Ihrer Freunde ihn an uns empfohlen hat. Er hat Sie erkannt, aber er meinte, da er nicht das Vergnügen Ihrer persönlichen Bekanntschaft hätte, wollte er Sie nicht belästigen.«
»Kannte er meinen Namen?«
»O ja, Sir! Er sagte: ›Da ist ja Mr. Sampson, sehe ich!‹«
»Offensichtlich ein beredter Herr?«
»Bemerkenswert, ja wahrhaftig, Sir.«
»Einnehmende Manieren, offensichtlich?«
»Sehr, wahrhaftig, Sir.«
»Ha!«, sagte ich. »Das wäre im Augenblick alles, vielen Dank, Mr. Adams.«
Keine zwei Wochen nach diesem Tag ging ich zu einem meiner Freunde zum Abendessen, einem Kaufmann und Gentleman von gutem Geschmack, der Bilder und Bücher kauft, und der Erste, den ich dort in der Gesellschaft wahrnahm, war Mr. Julius Slinkton. Da stand er vor dem Kamin, mit guten, großen Augen und einem offenen Gesichtsausdruck; aber immer noch (dachte ich) erwartete er, dass jederauf dem von ihm angebotenen Weg zu ihm kam und auf keinem anderen.
Ich bemerkte, dass er meinen Freund bat, ihn Mr. Sampson vorzustellen, und das tat mein Freund auch. Mr. Slinkton war sehr erfreut, mich zu sehen. Nicht übermäßig erfreut – er übertrieb die Angelegenheit nicht –, erfreut auf durch und durch wohlerzogene, vollkommen nichtssagende Weise.
»Ich dachte, Sie wären einander bereits begegnet«, bemerkte unser Gastgeber.
»Nein«, erwiderte Mr. Slinkton. »Ich habe in Mr. Sampsons Kontor vorbeigeschaut, wie Sie es empfohlen haben; aber ich hielt es nicht für gerechtfertigt, Mr. Sampson selbst mit einer alltäglichen Frage zu behelligen, einer Routineangelegenheit für einen gewöhnlichen Schreiber.«
Ich versetzte, ich hätte ihm auf die Empfehlung unseres Freundes sehr gern jede Aufmerksamkeit erwiesen.
»Dessen bin ich mir gewiss«, sagte er, »und ich bin Ihnen sehr dankbar. Ein anderes Mal bin ich vielleicht weniger rücksichtsvoll. Nur dann jedoch, wenn ich ein wirkliches Anliegen habe; denn ich weiß, Mr. Sampson, wie kostbar Geschäftszeit ist und was für eine ungeheure Anzahl impertinenter Menschen es auf der Welt gibt.«
Ich quittierte seine Rücksichtnahme mit einer leichten Verbeugung. »Sie haben überlegt«, sagte ich, »eine Versicherungspolice auf Ihr Leben abzuschließen?«
»O je, nein! Ich fürchte, ich bin nicht so umsichtig wie Sie es von mir annehmen; dieses Kompliment muss ich zurückweisen, Mr. Sampson. Ich habe nur Erkundigungen für einen Freund eingezogen. Aber Sie wissen ja, wie Freunde in solchen Angelegenheiten sind. Es wird vielleicht nie etwas daraus. Ich zögere sehr, ehe ich Geschäftsleute mit Nachfragen für Freunde belästige, da ich dochweiß, dass die Wahrscheinlichkeit eins zu tausend ist, dass die Freunde jemals diesen Nachfragen
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