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Der schwarze Schleier

Der schwarze Schleier

Titel: Der schwarze Schleier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Dickens
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ich anfänglich gesprochen habe; das Schloss, das wir seither bewohnt haben, stammt aus dieser Zeit. Alle unsere Kinder sind in ihm geboren. Unser erstes Kind – inzwischen verheiratet – war ein kleines Mädchen, das wir Christiana genannt haben. Ihr Sohn ähnelt so sehr dem kleinen Frank, dass ich kaum weiß, wer der eine ist und wer der andere.
    Der landläufige Eindruck, was den Umgang meines Partners mit mir betrifft, beruht auch auf einem Irrtum. Er hat mich nicht kalt und wie einen armen Einfalltspinsel behandelt, nachdem mein Onkel und ich unseren fatalen Streit hatten, noch hat er sich später nach und nach meines Geschäftes bemächtigt und mich verdrängt. Im Gegenteil, er verhielt sich mir gegenüber stets äußerst treu und ehrlich.
    Die Dinge zwischen uns nahmen folgende Wendung: Am Tag meiner Trennung von meinem Onkel und sogar bevor meine Koffer in unserem Kontor eintrafen (die dieser mir nachgeschickt hatte, unfrei, mit
nicht
bezahlter Fracht), ging ich in unsere Geschäftsräume auf unserer kleinen Werft, von wo man einen Blick auf den Fluss hat; und dort erzählte ich John Spatter, was geschehen war. John Spatter sagte keineswegs, reiche alte Verwandte wären handfeste Tatsachen, Liebe und Gefühle dagegen Schall und Rauch. Vielmehr sprach er folgendermaßen zu mir: »Michael«, sagte John, »wir sind zusammen in die Schule gegangen,und ich habe es immer geschafft, besser voranzukommen und mir einen größeren Ruf zu erwerben.«
    »Das hast du, John«, erwiderte ich.
    »Obwohl«, fuhr John fort, »ich mir deine Bücher ausgeliehen und sie verloren habe, dein Taschengeld geborgt und dir nie zurückgezahlt habe, ich dich dazu gebracht habe, meine beschädigten Messer zu einem höheren Preis zu kaufen, als ich selbst neu dafür gezahlt hatte, und die Fenster, die ich zerbrochen hatte, auf deine Kappe zu nehmen.«
    »Alles nicht der Rede wert, John Spatter«, sagte ich, »aber gewisslich wahr.«
    »Als du dich hier in diesem aufstrebenden Geschäft etabliert hast, das so prächtig zu gedeihen verspricht«, setzte John seine Rede fort, »kam ich zu dir auf meiner verzweifelten Suche nach beinahe jeder Beschäftigung, und du hast mich zu deinem Schreiber gemacht.«
    »Immer noch nicht der Rede wert, mein lieber John Spatter«, sagte ich, »doch immer noch gleich wahr.«
    »Und als du herausfandest, dass ich einen guten Geschäftssinn habe und dem Geschäft sehr nützlich war, wolltest du mich nicht in dieser Eigenschaft weiterbeschäftigen, sondern hieltest es nur für gerecht, mich bald zu deinem Partner zu machen.«
    »Noch weniger der Rede wert, als all die anderen kleinen Umstände, die du mir in Erinnerung gebracht hast, John Spatter«, sagte ich, »denn ich war und bin mir deiner Verdienste und meiner Unzulänglichkeiten bewusst.«
    »Nun, mein guter Freund«, sagte John und hakte sich bei mir unter, wie er das bereits in der Schule getan hatte, während zwei Schiffe draußen vor den Fenstern unseres Kontors – die die Form der Achterfenster eines Schiffes hatten – mit den Gezeiten leicht den Fluss hinuntersegelten,so wie John und ich gemeinsam und in allem Vertrauen und aller Gewissheit auf unsere Reise durchs Leben aufbrechen könnten, »lass uns unter diesen freundlichen Umständen eine Abmachung treffen. Du bist zu leichtgläubig, Michael. Du bist niemandes Feind, nur dein eigener. Wenn ich dich nun mit einem Schulterzucken und einem Kopfschütteln und einem Seufzer bei unserer gesamten Kundschaft in ein schlechtes Licht rückte und wenn ich darüber hinaus das Vertrauen missbrauchte, das du in mich setztest …«
    »Aber du wirst es niemals missbrauchen, John«, bemerkte ich.
    »Niemals!«, erwiderte er, »aber gesetzt den Fall – sage ich, und wenn ich darüber hinaus dieses Vertrauen missbrauchte, indem ich hier einen Teil unseres gemeinsamen Geschäftes im Dunklen lasse und dort einen anderen Teil im Licht und wiederum diesen nächsten im Zwielicht und so weiter, dann würde ich meine Stärken noch weiter stärken und deine Schwächen weiter schwächen, Tag um Tag, bis ich mich schließlich auf der Straße zu Ruhm und Vermögen befände und dich auf einer kargen Wiese zurückließe, hoffnungslos zurückgefallen und Meilen im Abseits.«
    »Genau«, antwortete ich.
    »Um dies zu verhindern, Michael«, sagte John Spatter, »oder um auch nur die entfernteste Möglichkeit dazu auszuräumen, muss zwischen uns völlige Offenheit herrschen. Nichts darf verborgen bleiben, und wir dürfen nur

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