Der schwarze Schleier
ein einziges gemeinsames Interesse haben.«
»Mein lieber John Spatter«, versicherte ich ihm, »genau das meine ich.«
»Und wenn du zu leichtgläubig bist«, fuhr John fort, und auf seinem Gesicht leuchtete die Freundschaft, »dannmusst du mir erlauben, dafür zu sorgen, dass niemand diese Unvollkommenheit deiner Natur ausnutzen kann; du darfst von mir nicht erwarten, sie mit Geduld zu ertragen …«
»Mein lieber John Spatter«, unterbrach ich ihn, »ich erwarte nicht, dass du sie mit Geduld erträgst. Ich will mich ändern.«
»Und ich auch«, sagte John.
»Genau!«, rief ich. »Wir haben beide das gleiche Ziel vor Augen, und wenn wir es ehrenhaft verfolgen und einander völlig vertrauen und nur ein einziges gemeinsames Interesse haben, wird unsere Partnerschaft eine blühende und glückliche sein.«
»Dessen bin ich sicher!«, erwiderte John Spatter. Und wir schüttelten einander höchst liebevoll die Hand.
Ich nahm John mit nach Hause auf mein Schloss, und wir verlebten einen sehr glücklichen Tag. Unsere Partnerschaft gedieh gut. Mein Freund und Partner lieferte, was ich wollte, wie ich es vorausgesehen hatte, und entschädigte mich, indem er sowohl meine Geschäfte als auch mich verbesserte, reichlich für all die kleinen Vorteile, zu denen ich ihm in seinem Leben verholfen hatte.
Ich bin nicht (sagte der arme Verwandte und schaute ins Feuer, während er sich langsam die Hände rieb) sehr reich, denn daran war mir nie gelegen; aber ich habe genug, und ich bin über alle bescheidenen Bedürfnisse und Ängste erhaben. Mein Schloss ist kein herrlicher Ort, aber es ist sehr bequem, und es herrscht dort eine warme und fröhliche Stimmung, und es ist ein wahres Bild von einem Heim.
Unsere älteste Tochter, die ihrer Mutter sehr ähnelt, hat John Spatters ältesten Sohn geheiratet. Unsere beiden Familien sind auch in anderer Hinsicht eng verbunden. Es ist sehr angenehm, wenn wir des Abends alle versammelt sind– was häufig geschieht – und wenn John und ich von alten Zeiten reden und von dem einen Interesse, das zwischen uns immer geherrscht hat.
Ich weiß in meinem Schloss wirklich nicht, was Einsamkeit ist. Einige unserer Kinder und Enkel sind immer dort, und die jungen Stimmen meiner Nachkommen sind meinen Ohren ein Entzücken – oh, was für ein Entzücken! Meine liebste und äußerst liebevolle Frau, stets treu, stets hilfreich und stützend und tröstend, ist der unschätzbar kostbare Segen meines Hauses, von dem alle anderen Segnungen ausgehen. Wir sind eine recht musikalische Familie, und wenn Christiana mich irgendwann einmal ein wenig matt und trübselig sieht, stiehlt sie sich zum Pianoforte und singt mir eine kleine Melodie, die sie einst sang, als wir gerade frisch verlobt waren. Und ich bin ein so schwacher Mann, dass ich es nicht ertragen kann, sie von jemand anderem gesungen zu hören. Sie spielten sie einmal im Theater, als ich mit dem kleinen Frank dort war, und das Kind fragte verwundert: »Vetter Michael, wessen heiße Tränen sind es, die da auf meine Hand gefallen sind?«
So ist mein Schloss, und so sind die wirklichen Umstände meines Lebens darin verwahrt. Ich nehme den kleinen Frank oft mit dorthin zu mir nach Hause. Er ist meinen Enkeln stets sehr willkommen, und sie spielen zusammen. Um diese Jahreszeit – um Weihnachten und Neujahr – verlasse ich mein Schloss kaum. Denn die mit der Jahreszeit einhergehenden Geselligkeiten scheinen mich dort festzuhalten, und die Regeln und Traditionen dieser Jahreszeit scheinen mich zu lehren, dass ich gut daran tue, dort zu bleiben.«
»Und das Schloss ist …«, merkte eine ernste, freundliche Stimme aus der Gesellschaft an.
»Ja. Mein Schloss«, sagte der arme Verwandte, schüttelteden Kopf und schaute immer noch ins Feuer, »ist in der Luft. John, unser geschätzter Gastgeber, vermutet seinen Standort richtig. Mein Schloss ist in der Luft! Ich bin fertig. Wärt ihr so gut und würdet die nächste Geschichte erzählen?«
Erstmals erschienen 1852 in »A Round of Stories by the Christmas Fire«, der Weihnachtsausgabe von »Household Words«.
Zur Strecke gebracht
I.
Die meisten von uns erleben irgendwann im Leben einen Roman. Ich glaube, dass ich in meiner Eigenschaft als Kontorvorsteher einer Lebensversicherung in den letzten dreißig Jahren Zeuge von mehr Romanen geworden bin, als man das allgemeinhin wird, wie wenig verheißungsvoll diesbezüglich eine solche Beschäftigung auf den ersten Blick auch erscheinen mag.
Da ich
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