Der schwarze Thron - Reiter reiter3
genug geklungen, dass er sie verblüfft ansah.
»Sie lassen mich nicht«, fügte sie hinzu.
»Sie?«
»Mein Vater und der König.«
»Oh, ich verstehe. Zu Eurem Schutz.«
Estora hätte am liebsten geschrien, aber sie wahrte ihre Fassung und die ruhige Fassade. »Das behaupten sie jedenfalls. «
»Nun, man weiß wenig über diese Eleter und die Gefahr, die sie darstellen könnten«, sagte Amberhill, »und Ihr seid es zweifellos wert, beschützt zu werden.« Dann blieb er stehen. »Dichter haben von Euch gesprochen, und Spielleute besingen Euch.«
»Ich fürchte, sie haben Worte an ein Ideal verschwendet, das es nicht gibt.«
»Ich sehe keinen einzigen Makel.«
»Ich bin nur eine ganz gewöhnliche Frau.«
»Eine Frau, ja«, erwiderte er. »Das ist mir aufgefallen. Aber gewöhnlich? Das denke ich nicht.
Estora hätte erröten sollen, aber sie konnte nur seufzen. Sie hatte das alles schon zuvor gehört, all die Schmeichelei von so vielen Männern. Nur F’ryan hatte sie je mit seinen Worten erreicht.
Er sah sie ganz offen an. Sie hatte oft die Gier auf den Gesichtern von Männern gesehen, vom Versprechen der Macht, die eine Heiratsverbindung ihnen verschaffen würde, bis zu nackter Begierde nach ihrem Körper. Amberhill drückte etwas ganz anderes in seiner Haltung aus. Ja, es war ebenfalls Begierde, aber verbunden mit dreister Selbstsicherheit und einer Spur von … war das Spott?
Er lachte leise und schüttelte den Kopf. »Ihr nehmt Euch viel zu ernst, meine Dame.«
Estora riss den Mund auf und wusste nicht, was sie sagen sollte.
»Ich muss gehen«, sagte Amberhill überraschend brüsk. Dann verbeugte er sich wieder anmutig. »Es war mir eine Ehre.« Er ging davon, und sie konnte ihm nur hinterhersehen, wie er sich so geschmeidig wie eine Katze bewegte, was feste, trainierte Muskeln verbarg, bereit zuzuschlagen.
Wie kann er es wagen?, dachte sie wütend. Und als ihr klar wurde, dass sie still dastand und ihn von hinten bewunderte, wandte sie sich errötend ab.
Sie zu bezichtigen, sie nehme sich zu ernst, und dann davonzurennen? So eine Unverschämtheit!
Feigling.
Sie stapfte rasch den Gartenweg entlang, und es war ihr gleich, wohin sie ging. Warum gestattete sie ihm, sie so zu reizen? Sie hielt inne, holte ein paar Mal Luft und versuchte, sich zu beruhigen. Er hatte mit ihr gespielt. Und vielleicht ärgerte er sie, weil er recht hatte: Sie nahm sich wirklich zu ernst.
Wieder ging sie weiter, aber nun langsamer. Sich ernst zu nehmen war ihre einzige Möglichkeit. Nur F’ryan hatte ihr diese kühle Nachdenklichkeit genommen. Mit ihm hatte sie gelacht wie ein Mädchen, und seine Liebe hatte sie zum Kern ihres Seins gebracht, sie wirklich gemacht. Er hatte ihr wahres Selbst erschlossen.
Sie hatte sich von F’ryans schurkenhaftem Charme angezogen gefühlt, seinem verwegenen Humor und seiner gnadenlosen Ehrlichkeit. Erschrocken erkannte sie, dass Xandis Pierce Amberhill etwas von F’ryans schelmischem Wesen hatte und er einfach nur ehrlich gewesen war.
DER PLATZ EINER KÖNIGIN
Amberhills abruptes Verschwinden besserte Estoras Laune nicht. Plötzlich war ihr kalt, und sie ging wieder nach drinnen, aber sie konnte es nicht ertragen, zu den Räumen ihrer Familie zurückzukehren und in das überfüllte Wohnzimmer ihrer Mutter, wo die Frauen sicher immer noch Weine und Leckereien kosteten.
Sie war oft in den Fluren der Burg unterwegs, besonders bei schlechtem Wetter, und nachdem sie so lange hier gelebt hatte, kannte sie sich recht gut aus, von den Dienstbotenquartieren und dem lebhaften Verwaltungsflügel bis zu dem üppigen Flügel des Monarchen, den sie eines Tages bewohnen würde.
Jetzt ging sie mit sicherem Schritt zur Bibliothek der Burg. Dies war eine stille Zuflucht, die von den wenigsten genutzt wurde. Estora konnte sich nicht vorstellen, warum, denn die Bibliothek enthielt eine beeindruckende Sammlung von Büchern, seltenen und gewöhnlichen, zu Themen wie Geschichte, Kräuterkunde und Poesie, aber auch Romane und mehr. Sie genoss besonders die uralten Manuskripte, die sorgfältig von Hand hergestellt und mit bunten Tinten und Blattgold illustriert waren. Die ältesten dieser Texte waren in Altsacoridisch verfasst, also verstand sie nur sehr wenig von ihrem Inhalt, aber die Illustrationen faszinierten sie. Die Druckerpresse mit ihren beweglichen Lettern hatte ermöglicht,
mehr Bücher herzustellen und zu verbreiten, aber diese gedruckten Bücher waren nicht annähernd so schön wie ihre
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