Der schwarze Thron - Reiter reiter3
Leute herumspielt und versucht herauszufinden, was ihr tun sollt.«
»Was? Zweihundert Jahre?« Dale runzelte die Stirn. »Äh, nein.«
»Nun, ich kann dir nur sagen, was ich schon diesem großen Kerl, Garth, gesagt habe. Die Hüter wollen nichts mit dem Deyer zu tun haben. Er hat sie verraten.«
»Das hat er ni …«
Merdigen hob abwehrend die Hand. »Wissentlich oder nicht, er hat sie verraten und hätte beinahe den gesamten Wall einstürzen lassen. Die Hüter sind gerade schon verwirrt und durcheinander genug, und selbst wenn der Wall mit ihm reden würde, könnte ich nicht garantieren, ob er ihn wirklich beruhigen könnte. Und dann ist da noch eine andere Sache.« Er beugte sich zu ihr und senkte die Stimme, als fürchte er, er könne belauscht werden. »Es ist auch eine Strömung von Hass und – und …« Er schauderte. »Und Wahnsinn in den Stimmen der Hüter.«
All das konnte Dale nicht begreifen. Sie wusste, dass der Wall von sogenannten »Hütern« bewohnt war, die sie sich wie geisterhafte Präsenzen vorstellte und die irgendwie den magischen Stoff webten, der den Wall zusammenhielt. Was sie nicht verstand, war, wie die Hüter das bewerkstelligten und was Alton getan hatte, um sie zu »verraten.« Wenn sie mit Merdigen fertig war, würden sich die beiden Reiter lange unterhalten müssen.
»Der Wall ist nicht nur körperlich beschädigt«, fuhr Merdigen fort, »aber ich denke – ich denke, der andere Deyer, der Pendric, der jetzt ein Hüter ist, ich denke, es ist seine Verzweiflung, die sich zu den anderen ausbreitete.«
Pendric, Pendric, Pendric … Dann erinnerte sich Dale, dass Pendric Altons kürzlich verstorbener Vetter war. Sein Name war im Flüsterton in Waldheim erwähnt worden, aber man hatte ihr nicht erklärt, wie er zu Tode gekommen war, und sie hatte nicht gefragt.
»Was hat das also alles zu bedeuten?«
»Hoffe, dass dein König das Buch findet«, sagte Merdigen. »Denn wenn der Wall einstürzt und Opfer des Wahnsinns wird, ist alles verloren.«
Alton sorgte für einen »kleinen Schluck« aus seinen privaten Vorräten und goss ihn sowohl in Dales Teetasse als auch in seine eigene. Das Gebräu brannte in Dales Kehle, als sie es hinunterschluckte. Sie rang nach Luft, bevor sie wieder sprechen konnte, und war froh, nicht in der Nähe einer offenen Flamme zu sein.
»Guter Tee«, krächzte sie.
Alton grinste. »Meine Tante mütterlicherseits destilliert Whisky. Bei den Dingen, die meine Eltern geschickt haben, waren auch ein paar Fässchen davon.«
Das war eine Tante, dachte Dale, die sie gern eines Tages kennen lernen würde. Ihre Zunge schmeckte das kühle, moosige Wasser, das zum Destillieren verwendet worden war, obwohl der Tee es verdünnte. Vielleicht war es eine Ausweitung ihrer besonderen Fähigkeit, dies zu erkennen, oder vielleicht war es auch nur der Geschmack von gutem Whisky.
Sie lehnte sich wieder zurück. Das Gebräu entspannte sie. Sie war müde, müder, als sie sich vorgestellt hatte, dass sie nach ihrer Reise von Waldheim hierher und dem Betreten des Turms sein würde. Ihre Knochen taten weh, und die Wunde schmerzte, aber der Whisky half. Die Rückkehr durch die Wand des Turms war zu ihrer Erleichterung lautlos gewesen. Keine Stimmen hatten ihren Geist berührt, aber sie hatte eine wachsame Präsenz gespürt, wie Tausende von Augen, die sie beobachteten.
Alton saß ihr gegenüber und hatte die Beine ausgestreckt. Sie hatten die Zeltklappe aufgelassen, damit frische Luft hereinwehen konnte, und wenn man den Zustand von Altons Zelt und den Hauch von abgestandener Luft bedachte, der noch an den Zeltwänden klebte, war das wahrscheinlich eine gute Idee. Seine Decken lagen zusammengeknäult auf dem Feldbett, und überall lagen Uniformteile oder hingen über die Seiten seiner Reisetruhe. Bücher stapelten sich auf dem Tisch neben einer Lampe und einem Kerzenstummel, und an der Zeltdecke war ein Rußkreis zu sehen. Offenbar kümmerten sich die Diener darum, das gebrauchte Geschirr wegzuräumen, und säuberten die Lampe, und vielleicht wuschen sie auch seine Kleidung, aber dieses Zelt wirkte immer noch heruntergekommen und ungepflegt.
Der alte Alton war peinlich sauber gewesen – vielleicht nicht in dem Ausmaß wie der makellose Ty, aber seine Stiefel hatten immer geglänzt, und seine Uniform hatte keine Flecken
oder Falten gehabt. Er hatte sein Haar stets gekämmt und sich regelmäßig rasiert. Jetzt sah er aus wie jemand, der die Welt rings um sich herum
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