Der schwarze Thron - Reiter reiter3
vergessen hatte, und vielleicht stimmte das ja auch, weil er so besessen vom Wall war.
Während sie sich unterhielten, wurde Altons Miene finsterer, und sein Tee kühlte ab, weil er ihn vergaß. Als Dale mit dem Bericht über ihren Besuch bei Merdigen fertig war, goss er seinen Tee aus der Zeltklappe und füllte die Tasse mit unverdünntem Whisky, den er in einem einzigen Schluck hinunterkippte.
»Das glaube ich nicht«, sagte er schließlich.
»Welchen Teil?«
»Alles. Es muss eine Möglichkeit geben, den Wall dazu zu bringen, mich anzuhören. Ich meine, wie wahrscheinlich ist es denn, dass dieses Buch gefunden wird? Und selbst wenn, wer will sagen, ob es uns helfen kann?«
Dale zuckte mit den Achseln. Sie war nur der Bote. Sie wusste keine Antwort. »Sieht aus, als hätten wir uns festgefahren. «
Die beiden saßen in finsterem Schweigen, und Altons Miene wurde immer mürrischer.
Dale machte eine vage Geste. »Was ist dieser Merdigen überhaupt? Er nannte sich die Projektion des großen Magiers Merdigen, was immer das bedeutet. Aber was ist seine Funktion? Wozu ist er da drinnen?«
»Soweit ich es verstehe«, erwiderte Alton, »ist er dort, um denen, die den Wall erhalten, dabei zu helfen, ihn im Auge zu behalten. Er kann mit den Hütern kommunizieren und im Gegenzug Informationen zu allen bringen, die am Wall tätig waren. Als es noch solche Leute gab.«
»Er ist also selbst eine Art Bote.«
»Irgendwie, ja.«
Dale trank ihren Tee und vergaß dabei den Whisky. Sie biss die Zähne zusammen, als der Alkohol wieder in ihrem Hals brannte und ihr die Tränen in die Augen trieb. Die Art, wie sie das Gesicht verzog, ließ Alton lächeln.
Als sie wieder sprechen konnte, sagte sie: »Also gut, Merdigen ist eine Art Bote, aber er ist nicht wirklich ein lebendiges Wesen. Eine Illusion?«
»Soweit einer von uns sagen kann«, bestätigte Alton. »Niemand hatte je Gelegenheit, ihn auszufragen, und ich war sicherlich nicht dazu in der Lage.«
»Vielleicht ist es Zeit, dass das jemand tut. Vielleicht werden wir mehr über den Wall erfahren, wenn wir mehr über Merdigen selbst herausfinden.«
Alton richtete sich auf, und ihm war anzusehen, dass er wieder Hoffnung fasste. »Er wird sicher viel über den Bau des Walls wissen, wenn er in jener Zeit lebte.«
»Es gibt nur eine Möglichkeit, das herauszufinden«, sagte Dale. Sie war müde, aber sie würde mitmachen. Bevor sie jedoch aufstehen konnte, erschien Leese im Eingang des Zeltes.
»Wenn Ihr nichts dagegen habt, Reiter Littlepage, würde ich mich gern überzeugen, dass Ihr Euch nicht überanstrengt. Wenn wir in Euer Zelt gehen könnten?«
Mit einem entschuldigenden Blick zu Alton ließ Dale ihre Tasse »Tee« stehen und folgte der Heilerin.
DER GRANDGENT
Karigan hielt beim Zielen die Messerklinge vor sich, genau wie Waffenmeister Drent es ihr beigebracht hatte. Sie wusste, sie hätte die Wurfmesser nach jeder Übungsstunde zurückgeben sollen, und sie wusste auch, dass Drent sie für eine Gefahr für sich selbst und andere hielt, aber sie wollte lernen, besser zu werfen, und die einzige Möglichkeit zum Erfolg bestand in Übung. Wenn sie das tun konnte, ohne dass alle anderen Schüler Drents dabei zusahen, war das umso besser und in jedem Fall weniger demütigend.
Außerdem, wen konnte sie mitten im Wald schon verletzen? Sie hatte sich überzeugt, dass Fergal sicher in der Hütte der Wegstation saß und an den Aufgaben arbeitete, die Ty ihm mitgegeben hatte. Sodann hatte sie die Hütte zwischen sich und die Koppel gebracht, wo Kondor und Wolke Heu fraßen. Alle sollten in Sicherheit sein.
Ihr Ziel war ein alter Getreidesack, den sie in der Hütte gefunden und mit Laub, Fichtennadeln und Moos vollgestopft hatte. Sie band ihn an eine kräftige weiße Birke, deren papierene Rinde sich abschälte. Die meisten ihrer Blätter waren gelb geworden und abgefallen, die Äste sahen aus wie gekrümmte Knochen, die sie vor dem immergrünen Hintergrund erhob.
Sie fixierte das Ziel in tiefer Konzentration, dann nahm sie die Hand zurück und warf. Das Messer pfiff sich überschlagend
weit am Ziel vorbei. Es landete irgendwo in den oberen Ästen der Kiefer und weckte dort den Zorn der auf dem Baum lebenden Eichhörnchen, die ans Ende eines Astes hüpften, um sie zu beschimpfen. Das Messer fiel am Stamm entlang zu Boden.
»Tut mir leid«, sagte sie zu den Eichhörnchen. Offenbar waren doch nicht alle in Sicherheit …
Sie holte das zweite Messer aus der Stiefelscheide,
Weitere Kostenlose Bücher