Der schwarze Thron - Reiter reiter3
anderen Flussufer auf. Wenn es nicht so spät im Jahr gewesen wäre, hätten sie hier alle Arten von Vögeln beobachten können, die nisteten, umherflogen und -wateten, aber das Wasser und der Himmel waren leer, und Karigan sah nur eine einsame Möwe, die nach Süden flog.
Selbst die Hafenanlagen fühlten sich verlassen an. Kleinere Boote waren ans Ufer gezogen und für den Winter umgekippt worden, und am Ufer lagen Schaluppen im Trockendock. Einige Koggen hatten am Ende des städtischen Kais angelegt, aber es waren nur wenige, verglichen mit dem Gewimmel und den Staus, die der sommerliche Handel mit sich brachte.
Die Fähre war angedockt, wo die Straße ans Wasser heranführte. Es war nicht mehr als eine Barke mit Reling, groß genug, um von Pferden gezogene Wagen und Kutschen zu tragen. Sie wurde mit Rudern bewegt, denn die Windensysteme, die bei kleineren Flüssen angewendet wurden, waren wegen der Breite des Grandgent und der Masthöhe der Schiffe, die die Fährstrecke kreuzten, nicht praktikabel.
Karigan läutete eine Messingglocke, die an einem Pfosten neben der Fähre hing, und vier kräftige, schmuddelige Männer erschienen aus der nächsten Schänke. Das waren die Ruderer. Ein älterer Bursche mit grauem Bart und einer Pfeife kam als Letzter – wahrscheinlich der Fährmeister.
»Aaaah«, sagte er schleppend, »zwei Männer des Königs, wenn ich das recht sehe.«
Karigan hätte ihm gern gesagt, dass er es nicht recht sah, aber sie hatte gelernt, sich Sarkasmus zu verkneifen, wenn sie im Dienst war. Wenigstens die meiste Zeit. Und nun spürte sie zusätzlich die Notwendigkeit, Fergal ein gutes Beispiel für angemessenes Reiterverhalten zu geben.
»Wir möchten übersetzen«, sagte sie.
»Selbstverständlich möchtet ihr das«, erwiderte er und ließ sich Zeit, auf sie zuzuschlendern. »Zwei Pferde und zwei Männer. Das macht ein Silberstück für jeden.«
Karigan lag mit sich im Widerstreit, weil sie versuchte, ihre Empörung über diesen unglaublichen Preis niederzukämpfen. Was hier gebraucht wurde, war eine Brücke und nicht diese Form von Diebstahl. Ihr Kaufmannsinstinkt regte sich, und sehr zu ihrer eigenen Zufriedenheit und dem Staunen des Fährmeisters handelte sie ihn auf zwei Kupferstücke herunter.
»Ihr solltet den Dienern des Königs nicht so viel Geld abnehmen«, tadelte sie ihn. »Es sind Leute wie Ihr, die uns ausnutzen und damit die Steuern hochtreiben. Der König wird davon erfahren.« Das klang ein bisschen hitziger, als es sollte, und war nicht das vollendete Beispiel, das sie Fergal geben wollte, aber der Fährmeister erbleichte auf sehr erfreuliche Weise.
»Es tut mir leid, Sir, bitte sagt dem König nichts! Ich schwöre, ich werde seinen Männern keinen zu hohen Preis mehr abverlangen!«
Sir? Karigan seufzte.
Sie schlossen den Handel ab, und die Rampe wurde heruntergelassen, so dass die Reiter ihre Pferde auf die Fähre bringen konnten. Kondor machte keinen Ärger, denn er hatte in seiner Laufbahn schon viele Flüsse mit Fähren überquert. Wolke war allerdings weniger sicher und scheute. Sie musste sich dieses Ding erst ganz genau ansehen, bevor sie sich von Fergal an Bord führen ließ. Karigan war beeindruckt, wie ruhig und geduldig er blieb, und er tätschelte der Stute sogar den Hals und lobte sie, sobald sie sicher und fest an Bord stand. Offenbar hatte er tatsächlich etwas gelernt, obwohl sie nicht sagen konnte, ob er sich für die Stute erwärmt hatte; eher hatte sie das Gefühl, dass seine Fürsorglichkeit mehr mit Pflichterfüllung als mit Zuneigung zu tun hatte. Sobald Wolke verladen war, wandte er seine Aufmerksamkeit dem Fluss zu und wartete unruhig darauf, dass die Ruderer die Fähre vom Ufer abstießen.
An einigen Stellen war der Fluss eine halbe Meile breit, aber oben im Norden, wo er aus Eis und Schnee in einer zerklüfteten Bergkette entsprang, war er schmal, wild und weiß, wenn er in unbefahrbaren Stromschnellen durch die Landschaft strömte und Seitenarme hervorbrachte, die sich wie Zweige ausbreiteten. Nur wenige Abenteurer waren so weit nach Norden gereist, denn das Land war kalt und brutal, und niemand lebte dort. Wenn der Fluss nach Sacoridien kam, erst in die Provinz Adolind, beruhigte er sich und wurde breiter, obwohl die Schneeschmelze immer noch ein paar rasche Stromschnellen schuf. Hier aber war er breit und vergleichsweise ruhig.
Die Ruderer nahmen ihre Plätze ein, und der Fährmeister senkte das Steuerruder. Mit starken, langen
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