Der schwarze Wikinger: Roman (German Edition)
das Schiff zu umtanzen wie den brennenden Holzstoß eines heidnischen Festes. Sie fochten mit allem, was sich als Waffe verwenden ließ, brüllten sich an, beschworen die Asen, Wanen und was es noch an Göttern gab, oder flehten zu Christus, dass er ihnen den Sieg schenken möge. Sogar einige Frauen stürzten sich in den Kampf. Ihre Zöpfe flogen, und die Männer griffen sie nur zögerlich an. Vielleicht hielten sie sie für Walküren oder Hexen.
Auch Sif tauchte plötzlich auf einem fremden Pferd am Strand auf, der zum Schlachtfeld geworden war. Wo steckte nur Patrick, weshalb hatte er Sif nicht am Herreiten gehindert? Doch die Art, mit der Sif an den Zügeln zerrte und dabei höchst verschreckt um sich schaute, ließ erahnen, dass sie sich keineswegs nur in ein neues Abenteuer hatte stürzen wollen.
Als Sif seitlich aus dem Sattel glitt, schüttelte Caitlín ihre Erstarrung ab.
Sie rannte zwischen den kämpfenden Männern hindurch zu der fremden Stute und griff nach den Zügeln. »Schhh, bleib stehen!«, schrie sie. Ihre Stimme ging in dem Getöse unter. Sif drehte sich auf den Bauch, um von der nervösen Stute fortzukriechen. Schließlich gab Caitlín dem Tier einen heftigen Klaps auf die Kruppe, damit es verschwand. Sie würde es ohnehin nicht schaffen, Sif wieder in den Sattel zu hieven. So blieb ihr nur, sie unter den Achseln zu fassen und an den Rand des Schlachtfeldes zu ziehen, wo die Steilwand der Küste aufragte.
»Das Pferd ist einfach den anderen nachgelaufen. Patrick und ich konnten entkommen, er hat mich noch auf dieses irische Pferd gehoben, und dann ist es davongaloppiert. Ich konnte nichts machen«, jammerte Sif. »Ich dachte, ich würde den Abhang hinunterstürzen!«
Caitlín kauerte sich neben sie und umschlang die vor Furcht zitternde Sif. Um sie zu beruhigen, sprach sie das Paternoster. Mit bebenden Lippen stimmte Sif ein.
Schrill schrie sie auf, als ein Ire auf sie zukam. Ein Pfeil, von einem Nordmann abgeschossen, hielt ihn auf. Wenige Schritte entfernt stürzte er zu Boden und hielt sich den blutenden Bauch.
Caitlín befreite sich von Sif und sprang auf.
»Wo willst du hin?«, rief Sif ihr hinterher.
Caitlín nahm sich nicht die Zeit, ihr zu antworten. Sie lief dorthin, ganz furchtlos, wie von Gott beschützt, und hob das Schwert, das der Tote fallen gelassen hatte. Kaum hatte sie es berührt, fiel ihre Sicherheit von ihr ab wie ein gelöster Umhang. Ihr Herz schlug vor Entsetzen – sie befand sich inmitten einer Schlacht! Das Schwert hinter sich herschleifend hastete sie an Sifs Seite zurück.
»Willst du etwa wie die Frauen dort drüben am Kampf teilnehmen? Lass das bloß bleiben, du bist dafür nicht gemacht.«
»Nein«, erwiderte Caitlín. »Aber einfach töten lasse ich uns auch nicht.«
Mit dem schweren Schwert kauerte sie sich neben Sif. In ihrem ganzen Leben hatte sie noch kein Schwert kampfbereit in den Händen gehalten. Es fühlte sich beängstigend an. Beängstigend gut.
Ihre Glieder zuckten, als wollten sie in den Kampf stürmen. Aber es war wohl nur die Furcht, die sie erzittern ließ. Caitlíns Herz schien mit dem Gebrüll der Kämpfenden im gleichen Takt zu schlagen. Ungläubig sah sie zu, wie Iren und Wikinger gleichermaßen starben und der Sand sich rötete, als würde er von einem Blutstrom getränkt. Sie erkannte den jungen Mann, der sich von Njal im Übungskampf hatte schelten lassen. Wie hieß er noch? Véseti, ja, der aufmüpfige Véseti. Er starb vor ihren Augen unter den mächtigen Streichen eines Iren. Wenige Schritte entfernt schwang Dyrí sein Schwert, und jeder Hieb fand sein Ziel. Pfeile schwirrten umher; Männer fassten sich stöhnend an Kehlen und Bäuche. Ein paar Iren versuchten einen Schildwall zu bilden, den die Nordmänner mühelos sprengten, indem sie mit ihren Axtblättern auf die eisenbewehrten Ränder der Schilde niederdroschen und sie herunterrissen.
Caitlín konnte nicht länger hinsehen. Sie schloss die Augen.
Bitte, lieber Gott …
»Caitlín!« Sif rüttelte sie an der Schulter. Caitlín hob den Kopf. Über den blutigen Sand stapfte ein Mann auf sie zu. Ein Ire.
Er lächelte ein zahnlückiges Lächeln.
»Mein Herr schickt mich, Euch zu beschützen, Caitlín von Lionee an der Bann. Ich werde Euch sicher zu ihm bringen. Aber vorher soll ich Euch mit der flachen Klinge den Hintern versohlen, weil Ihr nicht an Ort und Stelle geblieben seid. Also hoch mit dem Kleid. Zeigt her, was Eure Kehrseite zu bieten hat.«
Seine Augen
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