Der schwarze Wikinger: Roman (German Edition)
weinen. Eigentlich machte es überhaupt keinen Unterschied, ob er das Inferno überlebte oder nicht.
Sie waren einander verloren.
Quälend langsam machten sich die Reiter auf den Weg zur Schiffslände hinunter, doch die Pferde scheuten wegen des Qualms, der vom Strand aufstieg, und wegen des steilen Abhangs. Caitlín stolperte hinter ihnen her. Schon jetzt ließ sie der Rauch husten; wie sollte jemand unter dem Schiff noch leben? Sie war überzeugt, dass Thorir oder die Männer, die er gedungen hatte, den rechten Moment abgepasst hatten, sodass Njal keine Möglichkeit hatte, der Flammenhölle zu entkommen. Wikinger waren erfahren in solchen Dingen – oft hatte Caitlín in den grässlichen Erzählungen über sie gehört, dass sie Christen in Kirchen zusammentrieben und dann alles in Brand steckten. Caitlín schob sich an den Reitern vorbei und wollte dorthin laufen, wo Pech für die Beplankung gekocht worden war. Vielleicht würde sie dort einen Eimer finden.
An der Kapuze riss Éamonn sie zurück.
»Was habe ich von dir verlangt? Brich nicht sogleich wieder deinen Schwur!«
»Lasst mich!«
Er schüttelte sie. »Bleib hier. Ich will nicht, dass Brandnarben deine Hände oder gar dein Gesicht verunzieren. Die Männer kümmern sich schon um alles. Los, Leute, schwärmt aus, und tut, was ihr könnt!«
Seiner Stimme nach war das hier nur ein Abenteuer, dessen Ausgang ihm gleichgültig war. Womöglich freute er sich sogar, da ein anderer ihm die Arbeit der Rache abgenommen hatte. Und wenn er Njal lebend barg? Würde er ihn dann nicht sofort eigenhändig töten?
Nein, er muss helfen , dachte sie. Ich habe mich ihm ja verschworen …
Geschrei ließ sie den Blick heben. Weitere Reiter tauchten am Rand der Klippe auf. Auch die Thrymheimer hatten den Brand bemerkt, doch es waren Gollnir und Dyrí, die als Erstes herabritten, wesentlich schneller als die Männer Éamonns zuvor. Mehr als ein Mal drohte eines ihrer Pferde auszurutschen; loses Geröll behinderte ihr Fortkommen, und nur dem harten Zügelzug der Reiter war es zu verdanken, dass nicht Schlimmeres geschah.
Seite an Seite preschten Vater und Sohn über den Strand. Sie zückten ihre Schwerter und stießen markerschütternde Kriegsrufe an. Sahen sie denn nicht, dass die Iren helfen wollten?
Mit einem schnellen Blick erkannte Caitlín, dass Éamonns Leute tatsächlich so planlos und zögerlich herumstolperten, dass man glauben musste, sie selbst hätten das Schiff in Brand gesteckt. Verwirrt liefen sie zu ihren Pferden zurück, doch da stürmten die Thrymheimer und Suttunger dazwischen. Pfeile sirrten und schlugen dumpf tönend in schreiende Ziele. Äxte und Schwerter gingen auf die Iren nieder, und das lodernde Feuer spiegelte sich auf den Klingen, die sich rasch vom vergossenen Blut eintrübten.
Dyrí wurde von einem Iren vom Pferd gerissen. Er landete auf den Füßen, riss beidhändig das Schwert hoch und schlug es dem Mann in den Hals. Zwei weitere Iren bedrängten ihn, doch sein Vater kam ihm zu Hilfe, indem er mit Gebrüll vom Pferderücken sprang und auf sie einhieb. Der ältere Mann bewegte sich nicht weniger behände als sein Sohn und all die anderen jüngeren Kämpfer. Caitlín erblickte in mehr als einem irischen Gesicht das nackte Grauen – ihre Landsleute standen den gefürchteten Wikingern gegenüber und mochten glauben, dass es die legendären Berserker waren.
Niemand dachte mehr daran, das Feuer zu löschen.
»Bleib hier, und mach keine Dummheiten, wenn du nicht versehentlich getötet werden willst«, befahl Éamonn erneut. Dann zog er die eigene Klinge und ritt stolz und aufrecht in den Kampf. Besonders eilig schien er es jedoch nicht zu haben.
Immer mehr Nordmänner tauchten auf den Klippen auf und rannten den Abhang herunter; das ganze Dorf schien sich auf die Beine gemacht zu haben. Nach Caitlíns Empfinden waren einige von ihnen viel zu jung für eine Schlacht, doch sie wusste, dass die Nordmänner das anders sahen. Mit Knüppeln, Mistforken und Spießen griffen sie den vermeintlichen Feind an.
Zuletzt erschien sogar der Herse selbst. Er trug seine Schuppenrüstung, den Furcht erregenden Wolfshelm und zahllose Silberreifen an den Armen und ritt auf seinem prächtig geschmückten Pferd herunter. Es hätte Caitlín nicht verwundert, wäre auch die Herrin Álfdis aufgetaucht. Wahrscheinlich hätte sie den Kampf mit einem einzigen ihrer Eisblicke beenden können.
Nur von Thorir war nichts zu sehen.
23.
D ie kämpfenden Männer schienen
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