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Der schwarze Wikinger: Roman (German Edition)

Der schwarze Wikinger: Roman (German Edition)

Titel: Der schwarze Wikinger: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Shirley Waters
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Haus versammeln sollten.
    Ein Bote hatte die Ankunft des Gastes angekündigt. Allein der Herse blieb in der Halle zurück, da er zu erschöpft war. Álfdis scheuchte die freien Frauen, Edana die Sklavinnen auf den Dorfplatz. Ganz Thrymheimr hatte sich bereits versammelt. Krieger und Handwerker standen mit polierten Waffen, Äxten und Messern Spalier. Thorir hatte sich in Felle gehüllt, seine Arme waren mit Silberreifen geschmückt, als hielte er sich für das Ziel jener Frau, die vom Tor her auf einem Schimmel herangeritten kam, begleitet von einer zwanzigköpfigen Kriegereskorte.
    Auch Njal wartete. Er stand zwischen einem wahren Riesen von Wikingerkrieger und dem Schmied. Auch er trug Schmuck, einen silbernen Thorshammer, der an Pracht dem seines Vaters in nichts nachstand, und einen pelzverbrämten Umhang. Seine Haare waren zu einem Zopf im Nacken geflochten. Er sah weniger protzig als sein Bruder aus, dafür aber um ein Vielfaches königlicher. Unwillkürlich schlug Caitlíns Herz schneller, und vergebens versuchte sie es zu beruhigen.
    Natürlich war Zorn der einzige Grund dafür, nicht etwa der prächtige Anblick, den Njal bot.
    Er trat aus der Reihe und schritt auf den Reiter zu, der Sifs Pferd führte. Der Mann saß mit einem Sprung ab, und beide begrüßten sich mit einem kräftigen Handschlag. Die Züge des Fremden ähnelten denen des Mädchens, doch er war zu jung, um ihr Vater zu sein. Die beiden Männer tauschten Höflichkeiten aus oder was Wikinger dafür hielten – Caitlín hörte nicht hin. Ihr Blick war starr auf die junge Frau gerichtet.
    Njal schob den Bruder mit beiden Händen beiseite und eilte auf Sif zu. Sie streckte die Arme nach ihm aus. Lachend umfasste er ihre schmale Taille und hob sie vom Pferd. Doch statt sie mit den in weißem Lammfell steckenden Füßen auf den Boden zu stellen, trug er sie auf den Armen zum Langhaus des Hersen. Sie umschlang ihn und bedeckte sein Gesicht mit Küssen. Caitlín musste eingestehen, dass sie gut zusammenpassten: Sein Haar war schwarz, ihres von einem hellen Blond, in dem sich die Sonne fing. Offen wallte es ihr bis zur Hüfte. Von ihrem Gesicht konnte sie nur Schemen erkennen, da es unter einem schimmernden Seidenschleier verborgen war.
    Njal trug sie durch die Gasse der Menschen. Stolz. Von offensichtlicher Freude erfüllt. Als Caitlín meinte, sein Blick streife den ihren, wandte sie sich hastig ab und floh ihm voran ins Haus.
    »Herrin Caitlín, was ist mit Euch?« Patrick stellte sich ihr in den Weg. »Sehe ich da Tränen?«
    »Das liegt nur an der Kälte. Wie sieht Sif eigentlich unter dem Schleier aus?«, fragte sie so beiläufig wie möglich.
    Er strahlte sie an. Seine Augen leuchteten wie zwei Bergseen im Sommer. »Sie ist wunderschön, Herrin Caitlín. Wunderschön! Die schönste Frau, die ich je sah!«
    Sie seufzte. Da besang der Barde die Frauen und wusste doch nicht, dass es Dinge gab, die man ihnen besser behutsam beibrachte.
    Doch seine Miene zeigte Begreifen. »Was Ihr da gesehen habt, hat Euer Missfallen erregt, nehme ich an? Aber es besteht kein …«
    »Nein, verteidige Njal nicht auch noch.« Sie schob sich an ihm vorbei. »Das ist nicht nötig. Er bedeutet mir nichts.«
    »Aber …«
    »Ich sagte, ich will nichts hören!«
    In der Halle warf sie den Umhang ab und ging zu der Schlafstelle, die man ihr auf einer Podestreihe zugewiesen hatte. Edana warf ihr einen mitleidigen Blick zu. Natürlich, wer sich so benahm, verriet allzu deutlich, welche Gefühle ihn peinigten. Um sich zu beruhigen, entledigte sich Caitlín ihrer Fellstiefel, schlüpfte unter ihre aus Otternpelzen genähte Decke und rieb sich die Zehen. Obwohl die Schuhe wärmten, waren ihre Füße klamm. Sie war Kälte wie diese einfach nicht gewohnt. Wie lange mochte es hierzulande dauern, bis sich endlich der Winter verabschiedete?
    Nein, über das Wetter nachzusinnen half nichts gegen die Bilder, die in ihr aufstiegen. Njal, der sie in der Hütte wärmte. Der sich an sie schmiegte und sie sanft streichelte … Njal, der liebevoll auf seine Braut herabblickte und sie in seinen starken Armen hielt … Ein und derselbe Mann.
    Ich kann es einfach nicht begreifen .
    Vergebens hoffte sie, sich einige Zeit unter den Fellen verstecken zu können, doch Eirik, der wie die meiste Zeit des Tages auf seinem Thronstuhl am wärmenden Feuer saß, hieß sie mit einer müden Geste, ihrer Pflicht nachzukommen. Also lief sie, ein gefülltes Horn aus der Küche zu holen. Eine der Küchenmägde

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