Der schwarze Wikinger: Roman (German Edition)
den Qualm und Gestank allerdings kaum etwas ausrichten konnte.
Tief atmete sie ein.
Thorir hatte Njal schon einmal umzubringen versucht – was sollte ihn hindern, es erneut zu versuchen? Aber nein, beruhigte sie sich, hier wäre es etwas anderes, läge Njal plötzlich in seinem Blut. Thorir würde einen Mord wohl kaum in der Heimat wagen. Zudem war sich Njal jetzt der Gefahr bewusst; er würde schon auf sich aufpassen.
Was machte sie sich überhaupt Gedanken um ihn? Sollte doch Sif um ihn bangen!
Es war tiefste Nacht, und wieder stand sie dort, weil sie nicht wusste, wohin mit sich. Die Feiergesellschaft schlief längst – was nicht mit Ruhe gleichbedeutend war. Wikinger waren nicht nur im Kampf und im Saufen zügellos. Sie schnarchten auch so. Ein ganzer Trupp irischer Krieger hätte selbst in einer Schlacht nicht solchen Lärm gemacht. Nicht nur deshalb war Caitlín erneut ins Freie geflüchtet: Auf ihrem Schlafpodest hatte es sich ein Pärchen bequem gemacht. Aus allen Ecken und sogar von den auf dem Boden Liegenden drangen eindeutige Geräusche an ihr Ohr. Im Hinausschleichen hatte Caitlín Thorirs nackten Hintern gesehen, der sich jedoch nicht mehr bewegte. Anscheinend war er über einer Sklavin eingeschlafen.
Sie sehnte sich danach, das verschwitzte Kleid abzustreifen und Schlaf zu finden. Aber wo? Die Kammer Eiriks, in der sie sich vor dem Bett auf eines der Felle hätte legen können, war ihr verwehrt. Álfdis hatte den Hersen höchstselbst die schmale Treppe hinaufgeleitet und sich anschließend wegen ihrer Kopfschmerzen nicht wieder blicken lassen. Und im Beisein der Hausherrin die Augen schließen? Undenkbar! So ging Caitlín zum Brunnen, um sich wenigstens Gesicht und Hände zu säubern. Die kalte Luft tat wohl auf der erhitzten Haut.
Sollte sie sich im Stall ein Plätzchen suchen? Daheim in Lionee hatte sie als Kind oft heimlich mit den Brüdern im Heu genächtigt.
Doch nach ein paar Schritten merkte sie, dass sie nicht als Einzige auf diesen Gedanken gekommen war. Unwillkürlich lauschte sie. Njal, es war ganz eindeutig Njal, der da leise sprach. Sie fühlte sich in jenen Moment zurückversetzt, als sie in der Abtei vor der Stalltür gestanden und ihn beobachtet hatte. Unwillkürlich raffte sie ihr Kleid, um zu ihm zu eilen – schmerzlich sehnte sie sich danach, noch einmal von ihm auf seinen Schoß gezogen zu werden. Dass er ihr noch ein letztes Mal durchs Haar strich. Allein der Gedanke ließ ihr Herz wild schlagen.
Dann eine andere Stimme. Eine weibliche, zart und fröhlich.
Caitlín hielt inne. Sifs Anwesenheit riss sie in die Wirklichkeit zurück.
Statt sich umzuwenden, schlich sie auf die angelehnte Stalltür zu. Eine Laterne brannte im Innern. Sie trat über leise knisterndes Stroh hinweg an die Wand und lugte durch den Spalt. Flüchtig blickte Njal in ihre Richtung, doch der Schein der Lampe war zu schwächlich, um sie zu erkennen.
Er saß auf einem Hackklotz mit Sif auf seinem Schoß. Sein linker Arm hielt sie, seine andere Hand ruhte in ihrer Mitte. Ihre Wange lag an seiner Schulter, während sie gedankenverloren eine Strähne schwarzen Haares um ihren Finger wickelte. Leise flüsterten sie miteinander; Caitlín verstand nichts, aber es genügte, dass sie sah, wie er sich behäbig eine goldene Kette über den Kopf streifte.
»Für mich?«
»Für dich.«
»Oh Njal! Sie ist so schön!«
Sif legte sich die Kette um den Hals, begutachtete das Goldkreuz und ließ es zwischen ihre Brüste gleiten.
Caitlín presste die Augen zusammen. Sah wieder hin. Nichts hatte sich geändert. Natürlich nicht. Da half kein féth-fíada und kein Gebet.
Sie wandte sich ab und ging zum Haus zurück. Nun, auch ich bin mit Schmuck beschenkt worden: mit einem eisernen Sklavenreif und einer alten Münze , dachte sie bissig. Es gibt keinen Grund, mich zu beklagen .
Sie kehrte ins Langhaus zurück, schnappte sich eine Decke und rollte sich darin ein, ungeachtet dessen, wo sie lag. Doch an Schlaf war nicht zu denken, und das lag weder an dem Gestank noch an den Geräuschen oder dem unbequemen Reif um ihren Hals.
Sif auf seinem Schoß. Sie konnte das Bild nicht verdrängen.
Ihre Finger glitten wie von selbst über die Münze in ihrem Ausschnitt und ertasteten die Erhebungen.
Und plötzlich wusste sie, was sie zu tun hatte.
Sie würde erneut die Flucht wagen.
Aber dieses Mal würde sie es geschickter anstellen: warten, gehorsam sein, so tun, als füge sie sich ihrem Schicksal. Die Münze – und
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