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Der schwarze Wikinger: Roman (German Edition)

Der schwarze Wikinger: Roman (German Edition)

Titel: Der schwarze Wikinger: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Shirley Waters
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ich denn noch länger hier? Mein Vater wollte, dass ich nach ihm Herse werde, aber was meinen Stand im Dorf betrifft, war er schon immer einäugig. Jetzt muss er der hässlichen Wahrheit ins Auge sehen: Mein Bruder konnte mich, den Bastardsohn, zum Sklaven machen, und jeder hat es hingenommen. Nein, in Thrymheimr habe ich nie meine Zukunft gesehen. Aber so geht es vielen Söhnen, die daheim keinen rechten Platz finden, weil nur einer das Haus erben kann. Sif hätte ich mitgenommen; es wäre für sie besser gewesen, als dass Thorir sie heiratet.«
    Caitlíns Hand fuhr zu dem Knebel. Doch Njal hielt sie zurück.
    »Gönne mir doch den viel zu kurzen Augenblick einer schweigenden Caitlín.« Er grinste über das ganze schöne Gesicht. »Willst du nun weiterhin zuhören?«
    Sie nickte.
    »Doch bevor ich meine Familie endgültig verlassen hätte, wollte ich mich mit Thorir aussöhnen. Er hasste mich schon immer, da die Gunst unseres Vaters so offensichtlich mir, dem Bastard, galt. Ich hoffte, eine gemeinsame Wikingfahrt würde uns einen. Danach wollte ich ihm sagen, dass er sich wegen des Erbes keine Sorgen machen muss. Niemals …«
    Sein Blick flackerte wütend, und er schwieg. Caitlín kam nicht umhin, auch jetzt noch im Anblick seines Gesichtes zu schwelgen, das sich unheilvoll verdüsterte.
    »Niemals hätte ich geglaubt, dass er die Fahrt nutzen wollte, um mich zu beseitigen«, stieß er rau hervor. Seine Finger ballten sich zur Faust, sodass die Knöchel weiß hervortraten. »Dass einer von uns irgendwann in einem Kampf in seinem eigenen Blut liegt, meinetwegen! Aber nicht … nicht durch einen Meuchelmord. Dabei war das so unnötig – aber er wusste ja nicht, dass ich keineswegs Herse werden, sondern einfach nur fortwollte. Bei Thors Hammer! Dafür wird er irgendwann bezahlen.«
    Er sah sie wieder an, als sie die Hand hob. Dieses Mal hinderte er sie nicht. Doch sie zog nicht den Knebel herunter, sondern berührte mit den Fingerspitzen seine gefurchte Stirn, fuhr über seine gewölbten Brauen und die Wange hinab. Kurz schloss er die Augen. Er wirkte erschöpft.
    »Siehst du, meyja – deshalb wollte ich nicht, dass du mit mir kommst.«
    Trotz des Knebels versuchte sie etwas zu sagen. Sie brachte nur ein unverständliches Stöhnen zustande.
    »Ich rechnete damit, dass es dir hier schlecht ergeht. Darum gab ich dir in Larne Gelegenheit zum Fortlaufen. Da du das aber nicht tatest, nahm ich mir vor, dafür zu sorgen, dass du später wieder in deine Heimat zurückkehren kannst. Was sollte ich auch hier mit dir anfangen? Mir war Sif versprochen, daran musste ich mich halten. Und dich nur zur Nebenfrau zu machen – das hättest du nicht verdient.«
    Sie knurrte, doch Njal hob warnend einen Finger.
    »Still, meyja , sonst werde ich nicht weitererzählen.«
    Seufzend ließ sie Hände und Schultern hängen.
    »Ich wollte nicht, dass du dich an die Hoffnung klammerst, es könnte für uns eine Zukunft geben. Du siehst ja, in diesem Land kann es schlimmer kommen, als man es sich in seinen kühnsten Träumen ausmalt: Beide sind wir jetzt versklavt. Also habe ich möglichst wenig über mich erzählt. Und auch, um mich selbst daran zu hindern, dich zu lieben. Leider war dieser Plan schon am Ende der Reise, was mich betrifft, gescheitert. Ständig grübelte ich darüber nach, wie es doch möglich wäre, dich zur Frau zu nehmen, ohne die Gollnirsippe zu verletzen. Ständig ermahnte ich mich, vernünftig zu sein. Aber als ich dann in der Bucht ins Wasser stürzte … Du entsinnst dich?«
    Sie nickte. Den schrecklichen Augenblick, als das schwarze, tosende Meer gedroht hatte, ihn auf ewig zu verschlingen, würde sie nie vergessen.
    »Als ich dem Tod nahe war, wusste ich, dass ich dich wollte. Entgegen aller Vernunft.«
    Er wollte sie. Und sie – ja, sie wollte ihm glauben. Wollte sich in diesem dunkelblauen Blick verlieren, der imstande war, jede Frau zu überwältigen und jeden Krieger in die Flucht zu schlagen. Caitlín spürte, wie zwei Tränen über ihre Wangen liefen. Sanft legte Njal eine Hand an ihre Wange. Mit dem Daumen schob er den Stoff zwischen ihre Lippen, neigte sich vor und leckte sacht darüber.
    Eine Berührung, die durch ihren ganzen Körper fuhr.
    Längst hatte er sie ja woanders geküsst – damals in der Abtei. Das dort war ihr wie eine Verheißung erschienen. Dieser Hauch jetzt, kaum ein Kuss, war wie eine Erfüllung.
    »Ich hätte dir gern früher von dem erzählt, was mich umtrieb«, fuhr er fort. Dabei

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