Der schwarze Wikinger: Roman (German Edition)
mit dem schwarzen Sohn des Hersen geschehen war, Suttung erreichte. Weshalb also verbarg er seinen Reif und spielte den Männern etwas vor? Was bezweckte er?
Er nahm Caitlín an der Hand und führte sie zu Sif.
Womöglich hat er mich nur für diesen Augenblick aus Irland entführt. Vielleicht hatte Sif ihn gebeten, ihr eine irische Sklavin mitzubringen. Vielleicht sollte ich doch besser weglaufen.
Man würde sie spätestens am Tor wieder einfangen, trotzdem! Sie war kein willenloses Wesen, das man nach Gutdünken herumschubsen konnte.
Sie bewegte die Finger, um seinen Griff zu lockern, und machte sich zum Loslaufen bereit.
»Sif, liebst du mich?«, fragte er.
Die schöne Nordländerin hob den Kopf und lächelte ihn inniglich an. Kurz nur, dann wanderte ihr Blick zu Caitlín. Freundlich und fröhlich – zu einer anderen Zeit, an einem anderen Ort hätte Caitlín diese Frau gemocht. Sie strich sich eine Locke ihres hellblonden Haares aus dem Gesicht, während sie die Lippen benetzte. »Das weißt du doch«, erwiderte sie errötend. »Aber wer bist du?«, wandte sie sich an Caitlín. »Habe ich dich nicht schon irgendwo gesehen?«
Caitlín sah nichts anderes als ehrliches Interesse und aufrichtige Freundlichkeit in ihrem Gesicht. Wahrscheinlich konnte sich die zeitlebens wohlbehütete und von allen umgarnte Frau einfach nicht vorstellen, dass sie einer anderen mit ihrer Art wehtat.
Du wolltest weglaufen , ermahnte sich Caitlín.
»Ich bin …«, begann sie.
»Still, Caitlín«, unterbrach Njal sie barsch. »Sif, wie liebst du mich?«
»Wie?«, echote Sif. »Wie ich dich liebe? Wie ich Dyrí liebe, würde ich sagen.«
Sie schlug die Augen nieder und neigte sich ein wenig vor. Ihre Hände, mit denen sie erneut vorwitzige Strähnen zurückstrich, waren hell und zart wie die eines Elfenwesens. Dünne blaue Äderchen schimmerten hindurch. Man meinte, durch ihre Haut in eine andere Welt zu schauen. Sie war nicht nur die schönste Frau, die Caitlín je erblickt hatte, sondern auch die zarteste.
»Mehr noch als Dyrí, obwohl er ja mein Bruder ist«, fügte sie leise hinzu und lächelte ihr strahlendes Lächeln, das eine Spur verschwörerisch wirkte. »Nicht, dass er noch eifersüchtig wird, wenn er das hört.«
Caitlín war überrascht. Hatte sie richtig gehört? Sie sah von Sif zu Njal, der nickte, dann wieder zu Sif, die ebenfalls nickte.
»Njal ist mir wie ein Bruder.« Sie rückte sich ihr Nähzeug wieder auf dem Schoß zurecht. Es war ein Band, das später einen Kleidsaum schmücken würde. Zarte Zacken, Spiralen und Blüten zierten es, und das in so zarter Ausfertigung, wie es zu Sif passte. »Hat er dir das nicht erzählt?«
»Sag ihr, was du bist, Sif«, bat Njal.
»Was ich bin? Oh, du meinst …?«
Er nickte.
Sie nestelte aus ihrem Ausschnitt das Kettchen hervor, an dem Njals Kreuz hing. »Ich bin Christin wie du, siehst du, Caitlín? Es ist schön, bald seine Frau zu werden. Besser kann man es kaum treffen, da man ja nun einmal heiraten muss. Aber am liebsten würde ich in ein Kloster gehen. Es gibt eines nur drei Tagesreisen entfernt von hier. Ich habe es einmal besucht. Leute bewirten, sich mit Handarbeiten beschäftigen, Kräuter ziehen und in Büchern lesen, das klingt doch einfach traumhaft für eine Frau, findest du nicht auch?«
»Ich weiß nicht.« Caitlíns Stimme brach.
»Aber mein Vater hielt mich für verrückt, als ich meinen Wunsch vorbrachte.« Sie zuckte enttäuscht mit den Achseln. »Aber ihr seid doch nicht gekommen, um euch das anzuhören?«
Caitlín wandte den Kopf nach ihm. Auf seinem Gesicht lag ein höchst zufriedener Ausdruck.
»Sif, ich danke dir«, sagte Njal. Er klang beinahe feierlich. »Aber wir müssen euch jetzt wieder verlassen.«
»Oh, so schnell schon? Aber warum …«
Er beugte sich vor, umfasste sanft ihre Schultern und drückte ihr einen Kuss auf die Wange und auf die Stirn. »Ich erkläre es dir ein andermal.«
Dann eilte er zurück zu den Männern, und das Ritual wiederholte sich, diesmal zum Abschied. Auch Gollnir und Dyrí waren verwundert über die schnelle Abreise, doch Caitlín hörte nicht näher hin. Wie betäubt wartete sie auf Njal, und wie betäubt ging sie an seiner Seite ins Freie. Hier klärte die Kälte ein wenig ihre Sinne.
»Njal! Warum hast du mir das alles nicht gesagt?«
»Vorausgesetzt, du hättest mir überhaupt zugehört, statt immer wegzulaufen, du roter Sturkopf …«
»Sei still!« Schamesröte schoss ihr ins Gesicht. So rot
Weitere Kostenlose Bücher