Der schwarze Wikinger: Roman (German Edition)
war sie wohl in ihrem ganzen Leben noch nicht gewesen.
»… hättest du es geglaubt?«
»Bei allen Heiligen, nein, das hätte ich nicht. Niemals. Es tut mir so leid.«
Er lächelte und schwieg.
15.
E rinnerst du dich an die verlassene Hütte, meyja? Lass uns dort rasten.« Sein Mund war dicht an ihrem Ohr. »Eine Stunde nur, bevor ich mich wieder in mein Sklavenleben begebe. Ich möchte mir vorstellen, wie es wäre, wären wir beide frei.«
Caitlín nickte. Wieder saß sie vor ihm im Sattel, und wieder hielt er sie dicht an sich gepresst, nur genoss sie seine Nähe jetzt vorbehaltlos. Sie biss sich auf die Lippen, um ihre Gedanken nicht laut auszusprechen: Mach, was du willst. Ich folge dir überallhin .
Trotz des geschmolzenen Schnees roch die Hütte nicht modrig, als Njal die Tür aufstieß. Tief sog Caitlín die Luft ein, erinnerte sie doch der Geruch des Holzes im Kamin an jenen Tag, als sie aus dem Farbauti hierher geflüchtet war. Dort auf dem Boden inmitten des Strohs hatte sie gelegen, gezittert und sich gefürchtet, als er zu ihr gekommen war.
Njal ließ die Tür halb offen stehen, um etwas Licht in die Hütte zu lassen, breitete die Satteldecke auf dem Stroh aus und öffnete einen ledernen Beutel. »Brot, ein Winterapfel und Dörrfleisch von der Herbstschlachtung. Sein Besitzer wird heute während der Arbeit an der Knorr wohl hungern müssen.«
Er warf Caitlín den Apfel zu. Sie hockte sich auf die Decke. Njal ließ sich an ihrer Seite nieder, brach das Brot entzwei und riss ein Stück des Rindfleisches ab. Gierig begann er zu essen. Nur Caitlín konnte sich nicht überwinden, in den Apfel zu beißen.
»Was ist?«, fragte Njal.
»Ein … ein dummer Gedanke hält mich vom Essen ab.«
Fragend sah er sie an.
»Ich stelle mir vor«, versuchte sie zu erklären, »dass diese Stunde Rast nicht enden wird, solange er nicht aufgegessen ist.«
»Dann iss ihn nicht. Aber das Brot wirst du doch nicht verschmähen?«
Caitlín lachte. Nein, es roch zu verlockend. Seite an Seite aßen sie. Still. So viele Fragen lagen auf Caitlíns Zunge, doch nichts konnte in diesem Augenblick schöner sein als das einvernehmliche Schweigen. Aus den Augenwinkeln beobachtete sie sein Mienenspiel. Was war er nur für ein rätselhafter Mensch?
Als er fürs Erste gesättigt war, ließ er sich auf einen Ellbogen sinken und zog ein Knie an. Den Stoffstreifen wickelte er sich vom Hals und begann damit zu spielen. Eng lag der Sklavenring an, doch sie fand nicht, dass das Eisen seiner schönen Erscheinung schadete. Eher wirkte er wie ein kriegerischer Schmuck, wüsste man nicht um seine wirkliche Bedeutung.
»Willst du, dass ich dir von Sif erzähle?«, fragte er.
»Natürlich! Warum nur hast du über sie geschwiegen? Und warum erfahre ich erst von der Mutter Oberin, dass du lesen kannst und dich im Frankenreich aufgehalten hast? Sie sagte, du hättest dort eine Stadt geplündert! Weshalb hast du mich nicht abgehalten, mit dir zu kommen, wenn du doch wusstest, was mich hier erwartet? Und warum …«
Er schnellte hoch. Plötzlich – sie wusste kaum, wie ihr geschah – lag der Stoffstreifen über ihrem Mund. So schnell hatte er ihn in ihrem Nacken verknotet, dass sie nur überrascht die Augen aufreißen konnte. Vergebens versuchte sie nach dem Stoff zu greifen, aber Njal zog ihre Hand wieder herunter.
»Du siehst so schön aus, wenn du dich erschreckst.« Er lächelte. »Ich schätze, jetzt wirst du mir zuhören. Wahrscheinlich zum ersten Mal, seit wir uns kennen.«
Was blieb ihr übrig, als zu nicken?
Er ließ sich wieder auf die Decke sinken. »Du wunderst dich also, dass ein barbarischer Wikinger, der nur kämpfen können sollte, lesen kann? Nun, jede Nonne ist besser darin als ich. Denn wollte ich eine Seite des heiligen Buches der Christen lesen, so würde es mich mindestens einen halben Tag kosten. Ich habe die lateinische Schrift kennengelernt, als ich die Küste des Frankenlandes und England bereiste. Ich kam ein wenig herum. Um Beute zu machen, natürlich, auch wenn die Stadt, von der du eben gesprochen hast, nicht sehr groß und wehrhaft war. Ja, ich wollte Beute machen, aber ich wollte auch einfach etwas von der Welt sehen. Während meiner letzten Fahrt, der nach Irland … Nun, ich erhoffte mir, auf einen schönen Küstenabschnitt zu stoßen, um mich dort niederzulassen. Patrick hatte mich auf den Gedanken gebracht, da er so viel von seiner Heimat erzählte.«
Sie runzelte die Stirn.
»So war es. Was sollte
Weitere Kostenlose Bücher