Der schwarze Wikinger: Roman (German Edition)
darüber schwieg er sich jedoch aus.
Dort lebte seine Braut – Heilige Brigida, dieser Frau wollte Caitlín wahrhaftig nicht begegnen! Wollte er vielleicht, dass sie, Caitlín, endlich sah, wie es um ihn stand? Damit sie aufhörte, ihm Vorwürfe zu machen? Damit ihr Herz ihn endlich freigab?
Nur so konnte es sein. Als sie sich im Sattel versteifte, drückte er sie wieder an sich, und sie schwankte zwischen Genuss und Ärger. So vergingen ein, zwei Stunden, in denen sie einige unbefestigte Dörfer passierten. Die Häuser fielen kaum auf – sie duckten sich in den Hängen, von Grün und Büschen überwachsen. Schafe grasten auf den Dächern. Bald tauchte eine Palisade auf, ähnlich der von Thrymheimr. Und auch hier gab es zwei hölzerne Türme, die ein Tor bewachten. Es stand offen.
Njal beugte sich zur Seite und riss von Caitlíns Umhangsaum einen breiten Streifen ab, den er sich um den Hals wickelte, um den Sklavenreif zu verbergen. Die Wächter hoben grüßend ihre Speere, als er ungehindert durch das Tor ritt. Auch hier war das Dorf eine ungeordnete Ansammlung von Häusern und Hütten, in deren Mitte mehrere Langhäuser standen.
Aus dem größten trat soeben Dyrí. »Njal Eiriksson?«, rief er von Weitem und grinste über das ganze Gesicht. »Wen bringst du uns denn da? Ein Geschenk für meine Schwester?«
Sollte sie Sif etwa als Sklavin dienen? Caitlín zappelte, wollte vom Pferd springen und weglaufen – ein nutzloses Unterfangen, aber sie wollte nicht willenlos hinnehmen, was man mit ihr vorhatte. Dann besann sie sich. Wäre das nicht ein viel besseres Los? Über Njal ärgerte sie sich, und vor Thorir fürchtete sie sich – hier aber wäre sie von beiden fort. In Suttung war es vielleicht auch leichter, die Flucht vorzubereiten, die ihr hoffentlich gelingen würde, bevor Sif als Njals Frau in Thrymheimr einzog.
Auch Álfdis müsste sie nicht mehr ertragen, ein wahrhaftiges Himmelsgeschenk! Sie versuchte sich an einem gewinnenden Lächeln.
»Wie sie strahlt, kaum dass sie mich sieht«, freute sich Dyrí.
»Ich lächle nicht wegen Euch. Ich freue mich, Sif zu sehen«, erklärte sie.
»Dich versteh, wer will«, brummte Njal in ihr Ohr. Er sprang aus dem Sattel und hob sie vom Pferd. »Aber du sollst sie sofort sehen.«
»Bist du erkältet?« Dyrí deutete auf Njals verhüllten Hals, fragte aber gleich, ohne eine Antwort abzuwarten: »Erträgst es wohl nicht, so lange von meiner Schwester getrennt zu sein?«
»Ich ertrage auch das, weil ein Mann in seinem Leben nun einmal einiges ertragen muss. Aber es ist Caitlín, die Sif sehen will.«
Was für ein seltsames Gerede , dachte Caitlín. Tatsächlich kam ihr die ganze Situation seltsam vor. Njal schob sie mit sanftem Druck vorwärts, sodass ihr nichts anderes übrig blieb, als die Halle zu betreten. Das Haus ähnelte dem der Eirikssippe, war aber etwas kleiner. Auch hier gab es am Ende der Halle einen erhöhten Stuhl, doch statt eines gekrümmten, stets müden und zunehmend benommenen Eirik erhob sich bei ihrem Eintreten ein stolzer Mann, schlank wie eine Tanne und ehrfurchtgebietend wie ein König.
So habe ich Eirik beim ersten Mal auch empfunden , dachte Caitlín. Erst beim Anblick des Bonden Gollnir wurde ihr bewusst, wie schwach ihr Herr in der letzten Zeit geworden war.
Dyrí führte Njal vor den Vater. Die Männer begrüßten sich, und Frauen eilten mit Ale herbei. Das raue Begrüßungsritual war kurz: Die Nordmänner stießen die Trinkhörner aneinander, riefen ihre Götter an und schlugen sich auf die Arme. Hier hatte man offenbar keine Schwierigkeiten damit, Njal zu akzeptieren, obwohl man sicherlich um seine Herkunft wusste.
Auf einem der Schlafpodeste, die auch hier an die Wände gereiht waren, saß Sif mit einer Näharbeit auf dem Schoß. Ihre Hände hielten inne, während sie mit glänzenden Augen Njal anblickte.
Caitlín vermied es, in ihre Richtung zu schauen. Sie kam sich unscheinbar vor. Schlecht gekleidet, die Haare viel zu rot und zu lockig, und ihre Sommersprossen waren über den Winter kaum weniger geworden. Im Vergleich zu so viel nordischem Liebreiz musste jede andere Frau verblassen.
Njal kam zu ihr zurück. Er wirkte angespannt. Ständig flog seine Hand zum Hals, um zu ertasten, ob der Stoffstreifen auch nicht verrutscht war. Eine Erkenntnis machte sich in Caitlín breit: Njal konnte Sif nicht zur Frau nehmen. Nicht als Sklave, der er jetzt war. Und vermutlich war es nur noch eine Frage von Stunden, dass die Nachricht, was
Weitere Kostenlose Bücher