Der schwarze Wikinger: Roman (German Edition)
sagte er, und seine Zurückweisung schmerzte ihre Seele. Er stieß sie von sich. Ich gehe dorthin, wo man leiden muss. Du sollst nicht auch diesen Schmerz erfahren müssen …
»Aber ich will! Ich will alles aushalten, was du aushalten musst!«, rief sie ihm nach, während er sich vor ihren Augen in Nebel auflöste. »Nimm mich mit, lass mich nicht zurück! Hörst du?«
Sie rannte ihm hinterher. Tastete sich durch die schwindenden Nebelfahnen. Er war fort, fort …
Caitlín setzte sich auf und umschlang ihre Knie. Immer diese schrecklichen Träume! Aber war es denn wirklich nur ein Traum gewesen? Manchmal wusste sie es selbst nicht so recht, wenn sie noch vom Schlaf benommen war.
Natürlich konnte ein Mann, der sich in Luft auflöste, nur ein Traumwesen sein. Aber sein blutiger, von Peitschenhieben aufgerissener Rücken war wirklich.
Sie raufte sich die Locken. Natürlich, sie hatte ihn im Schweinestall vorgefunden, auf dem Bauch liegend, vor Schmerzen leise stöhnend und fiebernd.
Sie schlüpfte unter ihrem Schlaffell hervor und sah sich um. Einige Öllampen blakten, doch ihre Flämmchen vermochten die riesige Halle nicht zu erhellen. Überall auf den Podesten schnauften und schnarchten die Bewohner; einige Kinder und Sklavinnen schliefen zu ihren Füßen auf dem Boden. Ein Jagdhund hob kurz den Kopf, als Caitlín aufstand, und bettete ihn wieder zwischen den Pfoten.
Sie kam an dem Podest vorbei, auf dem Patrick schlafen durfte. Er lag auf der Seite, die Arme um seine Harfe geschlungen. Seine Züge wirkten angespannt. Ja, das Leben hier war nicht leicht für Gefangene. Die Welt der Wikinger war genauso leidenschaftlich wie grausam. Caitlín wusste es nur zu gut. Aber sie würde tun, was immer in ihrer Macht stand, um Njals Leiden zu lindern.
In der Küche schliefen die beiden Sklavinnen, die derzeit hier Dienst taten, sowie Edana. Die anstrengende Arbeit sorgte dafür, dass es des Nachts kaum etwas gab, das sie aus ihrem festen Schlaf wecken konnte. So war es für Caitlín ein Leichtes, für Njal einen Trunk zuzubereiten. Sie streute Zimt und noch einige andere stärkende Kräuter in einen Becher mit Ale, wie sie es sich von Mutter Laurentia am gestrigen Abend abgeschaut hatte. Die Nonne hatte sämtliche Töpfe und Beutel durchforstet, nachdem Edana die Küche verlassen hatte.
»Wenn ich nicht hier bin, sehe ich auch nichts«, hatte sie mit einem Augenzwinkern gesagt und die anderen Sklavinnen hinausgescheucht.
Caitlín hatte eigenhändig den Trunk an Njals Lager bringen wollen, doch Mutter Laurentia hatte sie überredet, sich stattdessen schlafen zu legen. Erschöpft von den schrecklichen Ereignissen des Tages war Caitlín auf ihr Lager gewankt und sofort eingeschlafen.
Jetzt bereute sie, dass sie sich ausgeruht hatte. Eine halbe Nacht war vergangen – alles Mögliche konnte ja seitdem geschehen sein! Mit einer Hand den Becher bedeckend, eilte sie durch die Halle hinaus.
Draußen kündete eine helle Nacht vom Nahen der wärmeren Jahreszeit. Doch es war noch immer kalt. So heftig war Caitlíns Sehnsucht nach Njal, dass sie ihren Otternpelzumhang auf ihrer Schlafstatt vergessen hatte. Wenigstens hatte sie daran gedacht, in ihre Fellstiefel zu schlüpfen. Zitternd gelangte sie zum Schweinestall, zog den Riegel beiseite und huschte ins Innere. Hier herrschte tiefe Dunkelheit, doch nach einer Weile schälten sich Umrisse heraus. Ein Schwein quiekte leise, als Caitlı´n am kniehohen Gatter vorbeiging. Die Äbtissin ruhte auf einem Strohlager, das sie sich so weit entfernt wie möglich von Njals Schlafstätte aufgeschüttet hatte, und schnarchte.
Njal lag, wie Caitlín ihn verlassen hatte. Eine saubere Decke schützte seinen Rücken; vorsichtig bewegte er die Glieder im Schlaf. Caitlín berührte seine Stirn – sie war trocken und kühl. Dann hockte sie sich neben ihn ins Stroh und kreuzte die Schenkel. Wecken würde sie ihn wegen des Heiltranks nicht, lieber stellte sie sich vor, dass es nicht nur ihr, sondern auch ihm guttat, wenn sie bei ihm saß und ihn betrachtete. Vorsichtig, als sei er ein scheues Tier, berührte sie seinen Arm und streichelte seine Muskeln.
Noch immer kam es ihr seltsam vor, sich in einen Wikingerkrieger verliebt zu haben. Noch dazu in einen, dem kein Gegner gleichkam. Der allein einen Trupp in Angst und Schrecken versetzen konnte – und sich doch auspeitschen lassen musste. Der der Sohn eines Hersen war – und doch nichts weiter als ein Sklave. Dessen Hände an fremden Küsten
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