Der schwarze Wikinger: Roman (German Edition)
dem Schoß einen Pelz. Dabei hielt sie die Augen geschlossen. Ihr Gesicht war weiß; die Lippen hatte sie zu einem Strich zusammengepresst. Ein Anblick, der Caitlín erschauern ließ.
Njal leckte sich die blutigen Lippen. Die Schläge hatten aufgehört. Vielleicht nur, weil Haukr eine Pause benötigte. Vorsichtig bewegte er die Zehen – er stand noch auf den Füßen, statt wie ein aufgeschlitzter Mehlsack in den Seilen zu hängen. Den Oberkörper wagte er jedoch nicht zu rühren. Flüssiges Feuer schien sich über seinen Rücken zu ergießen.
»Lass es gut sein, Schmied«, murmelten die Männer ringsum. Njal zwang die tränenverklebten Lider auseinander und sah sich um, soweit es ihm möglich war. Frauen und Kinder hatten das Weite gesucht, nur noch die Männer des Dorfes hielten den Anblick aus, gestandene Handwerker und Krieger, die ein blutiger Rücken nicht so leicht erschütterte.
Aus dem Augenwinkel sah er Thorir. Njal erwartete Triumph in den Augen des Bruders. Doch der wirkte nur erschöpft. Er sagte noch etwas zu den Männern, bevor er mit schweren Schritten davonstapfte.
Langsam zerstreuten sich auch die restlichen Zuschauer. Haukr blieb zurück und schnitt Njal los. Nur den starken Armen des Schmieds verdankte er, nicht zu fallen. Er biss die Zähne zusammen, um nicht aufzuschreien. Als Haukr sich ihn über die Schulter warf, schwanden ihm die Sinne.
Das Quieken der Schweine und sein in Flammen stehender Rücken weckten ihn. Bäuchlings lag er auf einem Strohlager, auf das man eine grobe Decke geworfen hatte. Neben ihm erhob sich ein niedriges Gatter, durch das ein Schwein seine flache Schnauze steckte und ihn angrunzte. Njal drehte mühsam den Kopf zur Seite, um zu sehen, wo er sich befand. Im Schweinekoben, nicht im Pferdestall. Vielleicht gehörte das zu Thorirs Rache. Oder Haukr hatte es mit seinem geringen Verstand nicht besser gewusst. Njal war es gleich; er war ohnehin zu sehr mit sich und seinem gepeinigten Körper beschäftigt, um sich an dem Gestank zu stören. Zumal der nicht so stark wie sonst war. Hatten die Schläge seinem Geruchssinn zugesetzt? Überhaupt wirkte der Stall erstaunlich sauber. Vielleicht hatten sie ihn ja doch woanders abgelegt … Vorsichtig bettete er den Kopf auf den Unterarm und versuchte zurück in den erlösenden Schlaf zu gleiten.
»Gott bürdet mir wirklich so einiges auf«, erhob sich eine Stimme über das Grunzen der Schweine. »Ich soll Sklavin der Wikinger sein? Na schön. Ich soll im Schweinekoben hausen? Nun gut, auch das erdulde ich. Aber jetzt bringt man auch noch dich hierher? Allmächtiger Gott, was tust du mir an!«
Das fragte Njal sich auch. Er wollte allein sein mit sich, seinen Schmerzen und seiner Schande. Er versank in sich selbst, wollte nichts mehr wahrnehmen. Bald bestand die Welt nur noch aus Schmerz und Kälte. Nackt stand er vor den Toren von Niflheimr, dem Reich der Frostriesen. Walhall war ihm verwehrt – er war schließlich kein im Kampf gefallener Krieger. Gänzlich nackt irrte er umher, die Beine bis zu den Waden im Schnee. Der Drache Nidhöggr, der am Fuß des Weltenbaums lebte, war ihm dicht auf den Fersen. Ständig sprang er ihn von hinten an und schlug ihm die Zähne in den Rücken.
»Das sieht ja furchtbar aus. Die Wunden werden sich entzünden, und du wirst sterben. War es nicht schon einmal so? Siehst du, ich wusste, dass es Gottes Wille ist. Ungestraft überfällt kein Heide ein gottgeweihtes Kloster!«
Njal kehrte in die Wirklichkeit zurück. Über ihm stand der schwarze Drache und wagte es, an seiner Schulter zu rütteln. Die Frau hatte die Ärmel aufgekrempelt und hielt in einer Hand eine Mistforke, deren dreckverschmierte Zinken seinem Gesicht allzu nah waren. Er kannte die Frau, aber ihm wollte nicht einfallen, woher. Er wusste nur, dass er sich wünschte, sie würde verschwinden.
»Damals wollte ich deine Dolchwunde ausbrennen, entsinnst du dich?«, peinigte sie ihn weiter. »Aber du hast es nicht zugelassen. Das hast du jetzt davon. Meinst du vielleicht, ich würde mich jetzt um deinen Rücken kümmern? Ich denke ja nicht daran. Du brauchst auch gar nicht so Hilfe suchend zu mir aufzublicken.«
Er war sich ziemlich sicher, dass er das nicht tat. Es war schon gelegentlich vorgekommen, dass ein Versklavter wahnsinnig wurde, da er sein neues Leben nicht ertrug. Ganz offensichtlich hatte der Wahnsinn auch vor der Nonne nicht haltgemacht.
»Es genügt mir, wenn du mich in Ruhe schlafen lässt«, murmelte er.
Sie
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