Der schwarze Wikinger: Roman (German Edition)
schnaufte ärgerlich und machte sich daran, mit der Forke zwischen den Schweinen herumzufuhrwerken und den wenigen Mist in eine Ecke zu schaufeln. Es war ein eigenartiger Anblick, über dem ihm wieder die Augen zufielen. Doch kaum glitt er zurück in einen seichten Schlaf, sprangen ihn wieder hässliche Traumbilder an. In ihnen ähnelte sein Bruder dem bösen Gott Loki, der sich in allerlei Gestalten verwandelte, um die Menschen zu verwirren und zu täuschen. Als Schlange umwand er Njals Leib, der vergebens versuchte, ihm den giftspeienden Kopf abzuschlagen. Seine Hand, die das Schwert hielt, war bleischwer und taub.
»Donnergott, erschlage ihn doch«, murmelte er. »Erschlag ihn mit deinem Hammer …«
»Denk nicht an Thorir«, sagte eine andere, ihm wohlbekannte Stimme. Eine, die ihm höchstwillkommen war – zu jeder anderen Zeit.
Geh fort, Caitlín. Du sollst nicht sehen, in welchem Zustand ich bin …
»Meyja … Geh, lass mich allein«, krächzte er.
»Ich denke nicht daran.«
Eine warme Hand berührte seine Wange, strich ihm die vom kalten Schweiß verklebten Strähnen aus dem Gesicht.
»Ich habe Wasser mitgebracht. Willst du?«
Bei allen Göttern, ja. Nun, da sie es erwähnte, spürte er brennenden Durst. Er versuchte sich ein wenig aufzurichten, trank rasch aus dem Becher, den sie ihm an die Lippen hielt, und sackte wieder stöhnend in sich zusammen.
»Er darf nicht hierbleiben.«
»Warum? Es ist hier doch sauber.«
»Ehrwürdige Mutter Oberin! Mit seinem furchtbar zugerichteten Rücken kann er nicht im Schweinestall liegen bleiben!«
»Und wenn es so sein sollte: Was habe ich damit zu tun?«
»Ihr müsst mir helfen, ihn woanders hinzubringen.«
»Und wohin?«
Caitlín schwieg. Njal war froh darum, denn so unerträglich fand er es hier nicht. Wenn er nur ruhig daliegen und still von Rache träumen konnte … »Caitlín, lass es gut sein …«
»Was hast du gesagt, Liebster?«, wisperte sie dicht an seinem Ohr. Wieder strichen ihre Fingerspitzen wohltuend durch sein Haar. Allein die Berührung ließ ihn glauben, wieder zu gesunden – irgendwann, sehr viel später, in einem anderen Leben.
Er antwortete ihr nicht, brachte ohnehin nur ein kaum verständliches Brummen heraus.
»Dein Rücken muss gewaschen werden. Ich hole frisches Brunnenwasser.«
»Das solltet Ihr nicht tun«, warf die Nonne ein.
»Wollt Ihr uns etwa helfen?« Caitlín klang hoffnungsfroh.
»Nein! Habe ich das etwa gesagt?«
»Aber Ihr müsst! Ihr habt es geschworen.«
»Was soll ich getan haben? Redet Ihr von dem Schwur, den Ihr mir damals im Refektorium abgezwungen habt? Ich werde diesem garstigen Kerl niemals helfen.«
»Aber Ihr habt geschworen«, beharrte Caitlín. »Bei Gott habt Ihr es geschworen.«
Njal fragte sich, womit er sich ihren starken Willen, ihm zu helfen, verdient hatte. War denn nicht seine Versklavung die Strafe der Götter für ihre Versklavung? Er hatte es schließlich vorausgeahnt und sie trotzdem mit sich genommen. Aber über Strafe und Reue konnte nur ein Anhänger des angenagelten Gottes nachdenken. Seine Götter hatten ihn hingegen in diese Lage gebracht, weil sie Spaß daran fanden, einen starken Krieger zu demütigen. Vielleicht hatte Thorir auch nur das bessere Opfer dargebracht.
Sein Kopf begann von diesen Gedanken zu schmerzen. Er hob sich auf einen Ellbogen und erbrach sich ins Stroh.
Schritte eilten näher. Er hob den Blick. Die Nonne stand über ihm.
»Nelkenwurz könnte helfen«, sagte sie in dem ihr üblichen schneidenden Tonfall. »Oder Zimt, aber der ist sehr teuer. Ich habe ja keine Ahnung, was diese Barbaren hier vorrätig haben.«
18.
W ieder stand sie in der Kapelle des Klosters. Vor sich sah sie den berserkerhaften Wikinger wanken, der das Schwert schwang, um es in den Altar zu hauen. Sie erinnerte sich, dass ein Dolch in seinem Rücken gesteckt hatte. Diesmal jedoch war sein Rücken von Schlägen blutig. Wieder spürte Caitlín diesen Mut, der sie manchmal überkam und der sie manchmal auf die Gefahr zugehen ließ, statt wie sonst vor ihr die Augen zu schließen. Sie schritt auf den riesenhaften Wikinger zu und streckte die Hand nach ihm aus. Er wandte sich um. Du , sagte er, du bist es . Kannte er sie? Er ergriff ihre Hand so fest, dass es wehtat. Der Blick aus diesen tiefblauen Augen, in denen sich die tosende See spiegelte, drang so tief in sie, dass ihr schwindelte. Ihr ganzer Körper wurde von einer Sehnsucht erfasst. Ich gehe wieder, aber du bleibst besser hier ,
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