Der Schwefelfluss
dem Graf Corian ihm mit einem von unten herauf geführten Hieb das Schwert aus der Hand wirbelte. Die Waffe blieb nur einen Schritt weit entfernt unter der Schranke liegen, unerreichbar für den Bruder des Königs. Dennoch warf er sich mit einem heiseren Aufschrei herum. In seinem Gesicht zeichnete sich unverhohlener Hass ab.
Wieder war Graf Corian schneller. Sein Fuß berührte die Klinge, noch ehe Laffeur sich bücken konnte.
»Niemals!« schnaufte Laffeur. Wie von Geisterhand hingezaubert, hielt er plötzlich einen Dolch in der Hand. Er stürzte sich auf Corian, der dem Angriff nur durch eine blitzschnelle Drehung zur Seite entgehen konnte.
Auf dem Absatz wirbelte Laffeur herum, aber Corian schmetterte ihm den Schwertknauf in den Nacken, und er sank ächzend in die Knie. Noch einmal versuchte er zuzustechen, doch wieder war der andere auf der Hut. Ein schmerzhafter Fußtritt ließ ihn aufschreien, der Dolch entglitt seiner kraftlos werdenden Hand.
Der Länge nach schlug Laffeur in den Sand, wo er halb betäubt liegenblieb.
Graf Corian hatte für seinen Widersacher nur einen verächtlichen Blick übrig. Dann wandte er sich um, schwang sich über die Schranke und ging über schneefreie Wege zum Palast zurück. Er hörte Schritte hinter sich, aber es interessierte ihn nicht, wer ihm folgte.
Erst jetzt wurde ihm der abscheuliche Gestank bewusst, der auch hier in der Luft lag. Die gelblichen Nebelschwaden hatten den Boden fast erreicht. Viele der Pflanzen, die während des Winters ihre Blätter behielten, schienen langsam zu verdorren. Da war kein saftiges Grün mehr, nur noch Auflösung und Verfall und Staub, der träge in der Luft hing.
*
Wieder hörte er das Geräusch der Pumpen, die eingedrungenes Wasser in den Fluss zurückbeförderten. Diesmal schien es besonders laut - auch das monotone Klappern der Hufe. Unablässig bewegten sich die Pferde im Kreis, um die Maschinerie in Gang zu halten. Sie mussten blind sein, denn sonst hätten sie es nicht mit stoischer Ruhe ertragen.
Duprel Selamy dachte daran, wer wohl die Pumpen antrieb, wenn kein Pferdegetrappel zu hören war. Sklaven? Niemand sonst würde sich dafür hergeben.
Hatte man diese bedauernswerten Menschen ebenfalls geblendet? Oder mussten sie mit ansehen, dass sie nur in einem engen Kreis herumliefen, von schweren Deichseln gebeugt und den Rücken wund gescheuert? Vielleicht waren es aber auch von der Gerichtsbarkeit des L'umeyn und des Erzmagiers wegen Diebstahl, Raub, Mord und Notzucht Verurteilte, von denen man in vielen Fällen nie wieder hörte.
»Eine scheinheilige Brut«, zischte der Schmied. Früher hatte er nicht darauf geachtet, aber in den langen Tagen seiner »freiwilligen« Gefangenschaft war ihm so manches klargeworden, was er, wie viele andere auch, bisher nur mit einem Achselzucken übergangen hatte.
Angeklagt und verurteilt wurde nur der einfache Bürger, angefangen vom nichtsnutzigen Tagedieb über den Kaufmann bis hin zum Bauern und Handwerker. Nicht aber die Adelsschicht, der meist von vornherein eine ehrenvolle Abwicklung dieser Delikte in Aussicht gestellt wurde. Die Edelleute durften ihr Leben in vollen Zügen genießen. Wenn ihnen eine Tochter der Stadt besonders gut gefiel, nahmen sie sich diese, ohne dafür vor Gericht gezerrt zu werden. Schlimmstenfalls bürdete man ihnen eine Geldstrafe auf, die sie sogleich aus ihrer Börse bezahlten und später durch erhöhten Wegezoll von Reisenden doppelt und dreifach wieder eintrieben.
Duprel Selamy hatte seine Arbeit beendet. Voll Stolz betrachtete der kleine, drahtige Mann das Werk seiner Hände. Es war nicht übertrieben, ihn als einen Künstler seines Fachs zu bezeichnen, und wohl nur deswegen hatte der Erzmagier ihn beauftragt, den Harnisch zu schmieden.
Der Meister lachte heiser auf. Er war überzeugt davon, dass Vassander nicht davor zurückschrecken würde, ihn mit Waffengewalt zur Arbeit zu zwingen. So oder so, er musste dem Tod ins Auge blicken, und er war nicht der Mann, der vor Angst das Atmen vergaß. Ihm blieb gar nichts anderes übrig, als zu warten, denn selbst wenn er die Wache niederschlug, würde es ihm nie gelingen, das Flussgefängnis lebend zu verlassen.
Duprel Selamy setzte sich auf den Amboss, ließ die Beine baumeln und dachte daran, wie schön es doch in Ugalos gewesen war. Ob seine Gehilfen die Werkstatt so weiterführten, wie er es stets getan hatte? O ja, sie waren tüchtig, wenngleich nur zwei von ihnen wirklich das Zeug hatten, Meister ihres Fachs
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