Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Schwefelfluss

Der Schwefelfluss

Titel: Der Schwefelfluss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hubert Haensel
Vom Netzwerk:
kaum noch für möglich gehalten hatte, war eingetreten: Er befand sich auf der richtigen Spur. Aber er selbst hätte wohl achtlos seinen Weg fortgesetzt, wären nicht die scharfen Augen des Schneefalken gewesen.
    Eines der zwölf Wurfmesser des Steinmanns. Wie lange mochte es hier gelegen haben - einen halben Tag, länger? Mythor wusste es nicht, aber all seine Zweifel waren auf einmal wie weggeblasen.
    »Es geht weiter, Pandor. Zeig, was in dir steckt!«
    Der Weg führte noch immer nach Süden. Mythor sah ihn jetzt mit anderen Augen, erfüllt von neuen Hoffnungen und der Gewissheit, dass es noch nicht zu spät war.
    Pandors Hufe wirbelten den Schnee auf. Kein Pferd wäre zu solcher Kraft und Ausdauer fähig gewesen.
    Irgendwann wurde der Wald dichter, der Boden felsiger. Mächtige Findlinge ragten aus dem Schnee, viele von menschenähnlicher Gestalt, wie Gnomen und Kobolde, die zwischen verrottendem Laub ihr Unwesen trieben.
    Hin und wieder ließ der Bitterwolf ein drohendes Knurren hören. Die Rute steil aufgestellt und das mächtige Gebiss entblößt, trabte er hinter Pandor her. Selbst ihm schien dieser Teil des Waldes nicht geheuer. Wachsamkeit und Angriffslust zugleich drückten sich in seinen Bewegungen aus.
    Mythor fühlte das Fremde wie eine eisige Hand, die sich seiner Gedanken bemächtigte; ihn träge werden ließ und einschläferte. War es denn wirklich wichtig, dass er den Freunden folgte? Harrten nicht große Aufgaben seiner, bei deren Erfüllung sie ihm nur hinderlich waren?
    Lautlose Stimmen ringsum, die auf ihn einredeten.
    Der Wald war erfüllt von ihnen. Ein Wispern und Raunen ging durch die Äste, wie das leise Rauschen des Windes und doch ganz anders.
    Mythor fühlte eine nie gekannte Schwermut in sich aufsteigen. O ja, er hatte eine Aufgabe zu erfüllen. Allein in seiner Macht lag es, diese Steine zu wirklichem Leben zu erwecken, denn er war der Sohn des Kometen, der Erbe des Lichtboten.
    Pandor schüttelte sich unwillig, als Mythor an seinem Hals entlang zu Boden rutschte. Von einem inneren Drang getrieben, stapfte der Krieger durch den fast kniehohen Schnee vorwärts, um zu helfen.
    Komm, lockten sie. Du bist wie wir, werde einer der Unseren.
    Ein Stein wuchs vor ihm auf, mannshoch, von einer leuchtenden Hülle umgeben, deren Schein blendend war wie das Licht der Sonne. Aber Mythor schien es nicht wahrzunehmen. Er verharrte mitten im Schritt, streckte die Arme aus, um den Fels zu umfassen. Alles um ihn herum war in Bedeutungslosigkeit versunken, auch Hark, dessen drohendes Bellen ungehört verhallte.
    Da fuhr der Bitterwolf herum und sprang ihn an. Ineinander verkrallt stürzten sie zu Boden.
    Mythor schrie auf, und sein Schrei löste den Bann, der auf ihm lag, und gab ihm ein wenig seiner Freiheit zurück, gerade so viel, dass er das Verderbliche seines Tuns erkennen konnte.
    »Zur Seite, Hark!«
    Wie von selbst lag Alton plötzlich in seiner Hand. Klagend wirbelte das Gläserne Schwert durch die Luft und schmetterte auf den Stein, der vor ihm zurückwich.
    Der Boden schien zu zittern. Selbst die Bäume ächzten, als Mythor zuschlug. Ein Geräusch, klirrend wie zerspringendes Eis, hallte durch den Wald. In vielfachem Echo wurde es zurückgeworfen, lauter als das Heulen böser Geister.
    Noch einmal schmetterte Alton gegen den Fels, der sich unter dem Hieb auflöste. Dichter Rauch breitete sich aus, nahm vorübergehend die Form eines Gesichts an, verflüchtigte sich dann aber schnell.
    Ein letztes Klagen, ein stummer Fluch, und alles war vorbei. Nichts blieb außer etlichen in Stein gehauenen Statuen. Im Licht der hochstehenden Sonne wirkten sie kalt und leblos.
    *
    Der Tag neigte sich seinem Ende entgegen, die Wipfel der höchsten Bäume glühten in einem unwirklichen Rot, und noch immer besaß Mythor keinen Anhaltspunkt dafür, ob er den Verfolgten inzwischen näher gekommen war.
    Noch war es zu früh, um ein Lager für die Nacht zu bereiten. Solange noch ein Sonnenstrahl die Erde berührte, würde Mythor weiterreiten. Mehr und mehr überließ er es seinem Einhorn, den Weg zu finden. Dennoch blieb ihm nicht verborgen, dass Pandor völlig grundlos die Richtung wechselte und plötzlich nach Westen strebte. Er lenkte das Tier wieder nach Süden, und es gehorchte, wenn auch widerwillig. Der Bitterwolf trottete gleichmäßig nebenher. Sein Blick ruhte auf Mythor. Als dieser Pandor herumzwang, knurrte er verhalten. Auch der Schneefalke hatte abgedreht und war der Sonne nachgeflogen.
    Das Einhorn

Weitere Kostenlose Bücher