Der Schwefelfluss
euch an seinem eigenen Körper finden. Auch mein Sohn hatte sie. Danach kommen Beulen, die schnell wachsen, die die Haut aufreißen und bluten!«
»Die Pest?« schrie jemand auf, und seine Stimme überschlug sich förmlich.
»Gelbes Fieber!« kam es von Ciarisse, und man konnte ihr ansehen, wie verzweifelt sie war. »Die Prophezeiung unserer Urahnen bewahrheitet sich.«
»Jeder hier«, sagte der Mann mit der Fackel so laut, dass es weithin zu hören war, »will ihn brennen sehen. Nur dadurch können wir die Götter wieder gnädig stimmen und das Böse vertreiben.«
»Er ist unschuldig, sage ich euch«, wiederholte Ciarisse mit einem Nachdruck, der keinen Widerspruch duldete. »Verfallt nicht dem Wahnsinn, zu glauben, dass mit seinem Tod alles vorüber sei. Es wird noch schlimmer werden. Wer von euch hat bereits einen Angehörigen verloren?« Stille.
»Niemand!« rief Ciarisse, und sie steigerte sich in eine Erregung hinein, die ihre Stimme zittern ließ. »Nur mein Kind musste bis jetzt sterben. Also steht mir auch das Recht zu, über das Schicksal dieses Mannes zu entscheiden.«
Zustimmung wurde laut. Sie wandte sich an Armos, der noch immer auf dem Scheiterhaufen stand, als betreffe ihn das alles längst nicht mehr. »Komm herunter! Wer bist du überhaupt?«
»Frerick Armos nennt man mich.«
»Deiner Kleidung nach gehörst du zur Zunft der Schmiede.«
»Ich bin Gehilfe bei Meister Duprel«, sagte Armos, während er vorsichtig die Leiter hinunterstieg.
»Dem Waffenschmied?« kam es aus der Menge. »Ich kenne ihn. Er würde gewiss keinen bei sich dulden, der mit den Mächten der Schattenzone im Bund ist.«
Die Stimmung schien langsam umzuschlagen. Kaum jemand nahm noch Notiz davon, dass die Fackel in einen nahen Kanal geworfen wurde und dort erlosch.
Endlich sah Armos die Frau, die ihn gerettet hatte, aus der Nähe. Sie war wirklich schön, wenngleich ihr Gesicht von Kummer und Schmerzen gezeichnet war.
»Ich danke dir«, sagte er.
»Weshalb? Immerhin wolltest du mein Kind aus dem Brunnen holen. Du konntest nicht wissen, dass ich seinen Leichnam opferte, um weiteres Unheil abzuwenden.«
Armos verstand nicht ganz. Aber Ciarisse erzählte ihm dann unter Tränen, was geschehen war. Es fiel ihr sichtlich schwer.
Ihr drei Monde alter Sohn hatte sie schon in der Nacht mit seinem Schreien geweckt. Aber erst nach Sonnenaufgang hatte sie die Flecken auf Gesicht und Händen des Säuglings entdeckt, die sich schnell über den kleinen Körper ausbreiteten.
»Er spie gelben Schleim«, sagte sie, und als Armos bestätigte, dass es ihm genauso gehe, schlug sie die Hände vor ihr Gesicht.
»Deshalb nenne ich es das gelbe Fieber«, fuhr sie nach einer Weile fort. Ihre Stimme war so leise, dass nur wenige der Umstehenden sie hören konnten. Aber was sie sagte, wurde schnell weitererzählt. »Auf der Haut bildeten sich Beulen, die aufplatzten und zu bluten begannen. Ich ging an den Brunnen, um meinen Sohn zu waschen. Aber als er mit dem Wasser in Berührung kam, färbte es sich rot.
Nicht du hast den Brunnen vergiftet, es muss der Leichnam meines Sohnes gewesen sein.«
»Woher kommt diese Krankheit?« rief ein altes Mütterchen, das eben noch drohend seinen Stock gegen den Schmied geschwungen hatte.
»Sieh dir die Lorana an, und du weißt es!« schrie Ciarisse unbeherrscht. »Die Blutquelle ist wieder aufgebrochen, wie die Legende es prophezeit. Das Ende der Welt ist nahe!«
Irgendein Krieger hielt plötzlich sein Schwert in der Hand und stieß es in die Höhe, so dass jeder es sehen konnte.
»Sollen wir warten, bis alle sterben?« hallte seine Stimme durch die Gassen. »Wir müssen kämpfen, bevor es zu spät ist.«
Kämpfen, dachte Frerick Armos bitter. Gegen was? Gegen Dämonen oder den Fluss, der sich unaufhaltsam an Ugalos vorbeiwälzt und sein verhextes Wasser in die Kanäle ergießt?
Doch so weit schien im Augenblick niemand zu denken. Überall zeigte sich der Mut der Verzweiflung.
»Lasst uns reiten!«
»Holt Pferde und Waffen!«
Mehr als dreißig Mann taten sich zusammen. Dabei war Armos überzeugt davon, dass ihnen kein Erfolg beschieden sein würde, denn gegen den Fluch des Heroen konnten nur die Götter helfen.
Grässlich war das Jucken und unerträglich. Allein wenn er über seine Arme tastete, fühlte er größer werdende Beulen, die zu nässen begannen.
»Du, komm mit!«
Armos erhielt einen Stoß in den Rücken. Als er sich umwandte, hielt ihm ein Mann ein Langschwert hin. Aber der Schmied
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