Der Schwefelfluss
krallten sich seine Finger in das glitschige Pflaster. Wie durch einen dichten Nebel hindurch nahm er wahr, was um ihn herum vorging.
Brutal trat man ihn in die Seite. Er krümmte sich vor Schmerzen. Ein zweiter Tritt rollte ihn auf den Rücken. Über sich sah er verschwimmende Nebel, in ständiger Bewegung begriffen.
Träumte er? Oder waren dies die ersten Anzeichen des nahenden Todes, der ihn umfing?
Nur er schien das Wiehern zu hören, kein anderer.
Unter den Hufen des Schimmels erzitterte das Firmament.
Das edle Tier flog förmlich dahin. Es war frei wie der Wind über der Steppe; kein Reiter würde es je zähmen können.
Hilfesuchend streckte der Schmied die Arme nach ihm aus. Aber ein furchterregendes Fauchen ließ ihn zurückschrecken. Feuer schlug ihm entgegen, Schwefel und beißender Rauch, der ihn erneut würgte.
Ein geiferndes Maul wurde sichtbar. Auf einem langen Hals peitschte ein abscheulicher Kopf durch die Wolken. Ein zweiter folgte, ellenlange Reißzähne entblößend.
Das Untier schnappte nach Armos, der sich nicht dagegen wehren konnte. Er wurde hochgewirbelt und schrie. Ein schmerzhafter Schlag ins Gesicht ließ ihn verstummen, brachte ihn aber gleichzeitig in die Wirklichkeit zurück.
In einer langen Prozession trug man ihn durch die Gassen der Stadt. Immer mehr verängstigte und aufgeschreckte Bürger schlossen sich dem Zug an.
Als Armos endlich erkannte, wohin man ihn brachte, musste er sich erneut übergeben. Viele wichen entsetzt vor ihm zurück und machten die Zeichen gegen den bösen Blick.
»Bei Aqvitre!« wollte der Schmied rufen, aber er brachte nur ein heiseres Krächzen hervor.
Dann stellte man ihn auf die Beine. Ein harter Stoß in seinen Rücken ließ ihn vorwärts taumeln.
»Er soll brennen!« schrie die Menge.
Vor ihm war der Scheiterhaufen, mannshoch und sorgsam aufgeschichtet. Armos hatte keine Möglichkeit, zu fliehen. Die Meute, die sich in immer heftigere Erregung hineinsteigerte, würde ihn eher zerreißen als entkommen lassen.
Seltsam, dass er angesichts des sicheren Todes daran denken musste, wer das letzte Opfer der reinigenden Flammen gewesen war: eine Hexe, die nachweislich mit den Mächten der Schattenzone paktiert hatte. Aber das lag viele Sonnenwenden zurück. Der Erzmagier Vassander hatte ihr verderbliches Tun entlarvt. Armos sah sie noch immer vor sich, wie sie sterbend zusammenbrach und die Flammen hoch aufloderten.
»Nein!« kreischte er. »Ich bin nicht besessen!« Aber niemand schien ihn zu hören.
Man erwartete von ihm, dass er erhobenen Hauptes hinaufstieg. Als Symbol für seine Reue und den Willen zur Abkehr von den Mächten der Finsternis.
Doch Frerick Armos hatte nichts zu bereuen. Er war verrückt genug gewesen, einer Frau helfen zu wollen, die ihn nichts anging. Bestimmt schrie sie jetzt am lautesten.
Zitternd hielt er sich an der Leiter fest. Nicht einen Schritt würde er freiwillig tun. Aber sie schoben ihn die Sprossen hinauf, und dann stand er doch oben und blickte hinunter auf die immer noch anwachsende Menge.
Am ganzen Körper verspürte er einen schier unerträglichen Juckreiz. Die rötlichen Flecken auf seinen Händen schienen anzuschwellen.
Jemand brachte eine brennende Fackel. Johlen und Toben begleiteten ihn, als er näher kam.
»Haltet ein!«
Zaghaft zunächst, doch dann ein zweites Mal und um vieles lauter, versuchte sich eine Frau Gehör zu verschaffen. »Der Mann ist nicht besessen, er ist unschuldig.«
Vergeblich versuchte Armos zu erkennen, woher der Ruf kam. Nicht nur er hatte ihn gehört, denn innerhalb weniger Augenblicke wurde es merklich leiser. Der Fackelträger verharrte vor dem Scheiterhaufen, unwillig, wie es schien, aber gleichzeitig überrascht.
»Wer behauptet das?« fragte er mit dröhnender Stimme.
»Ich!« Eine junge Frau mit langem schwarzem Haar bahnte sich einen Weg durch die Umstehenden. Frerick Armos kannte sie. Und nicht nur er, wie es schien.
»Ciarisse!« ertönte es von vielen Seiten. »Du willst ihn verteidigen, ausgerechnet du?«
»Ja, ich will es«, rief sie, für alle hörbar. »Dieser Mann wird ohnehin sterben, aber nicht, weil er von Dämonen besessen ist, sondern weil ein Fluch auf Ugalos lastet. Keiner kann dem Verderben entgehen.«
Bedrücktes Schweigen. Dann ein vielstimmiger, entsetzter Aufschrei.
»Die Blutquelle wird uns alle umbringen!« versetzte Ciarisse. »Seht ihn euch an, seht hinauf auf den Scheiterhaufen! Solche Flecken, wie er sie hat, wird schon bald mancher von
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